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Wenn das Geschlecht über den Asylantrag entscheidet

Eine Studie des Mannheimer Politik­wissenschaft­lers Dr. Alejandro Ecker und seiner Wiener Kollegen zeigt: Frauen erhalten leichter Asyl, wenn die darüber urteilende Person hauptsächlich Anträge von Männern bearbeitet. Auch weitere Gender-Effekte finden die Wissenschaft­ler.

Das Geschlecht kann entscheidenden Einfluss darauf haben, ob ein Richter einen Asylantrag genehmigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Politik­wissenschaft­lern der Universitäten Mannheim und Wien. Die Forscher haben mehr als 40.000 Entscheidungen über Asylanträge in Österreich ausgewertet. „Wenn einem Richter – egal ob Mann oder Frau – vorwiegend Anträge männlicher Asylbewerber vorlagen, erhöhte das die Chancen weiblicher Antragsteller um rund 17 Prozent. Bei Richterinnen und Richtern, die bei ihren Fällen mit einem ausgeglichenen Geschlechter­verhältnis zu tun hatten, hatten Frauen dagegen keinen messbaren Vorteil“, erklärt Dr. Alejandro Ecker, seit 2016 Research Fellow am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim und Hauptautor der Studie. „Auch das Geschlecht des Richters hat einen gewissen Einfluss.“

Richterinnen gewähren demnach eher Asyl als ihre männlichen Kollegen. Bei ihnen lag die Chance auf eine positive Entscheidung um rund neun Prozent höher – und zwar für Antragsteller beiderlei Geschlechts. „Richterinnen bevorzugen oder benachteiligen also nicht das eigene Geschlecht“, erklärt der Politik­wissenschaft­ler. Männer urteilten der Studie zufolge insgesamt etwas strenger, seien bezüglich des Geschlechts jedoch ebenfalls grundsätzlich neutral. Diese Neutralität funktioniere aber offenbar am besten, wenn bei den zu bearbeitenden Fällen ein annähernd ausgeglichenes Geschlechter­verhältnis herrsche, folgern die Autoren der Studie.Insgesamt fielen im Untersuchungs­zeitraum 2008 bis 2013 rund 31 Prozent der Urteile des österreichischen Asylgerichtshofs positiv aus. 81 Richter – davon 39 Frauen – bearbeiteten durchschnittlich jeweils rund 90 Fälle pro Jahr.

„Unsere Studie untersuchte nicht, ob die einzelnen Entscheidungen richtig oder falsch waren. Auch treffen wir keine Aussage darüber, ob Frauen zu nachsichtig oder Männer zu streng behandelt werden oder urteilen. Aber wir stellen fest, dass Asylanträge von Männern und Frauen unter Umständen ungleich behandelt werden. Und da Asylentscheidungen Grundrechte sowie den Rechts­staat als Ganzes betreffen, halten wir das für ein Problem“, erklärt Ecker. „Die Verfahren müssen in jeder Hinsicht fair sein.“

Aufgrund der Verfügbarkeit der Daten stammen die untersuchten Urteile ausschließlich aus Österreich und aus einem bestimmten Zeitraum. Die Ergebnisse der Studie sind daher nur bedingt verallgemeinerbar. „Es scheint aber nicht abwegig, anzunehmen, dass ein ähnlicher Effekt, wie wir ihn für Österreich nachgewiesen haben, auch andernorts auftreten kann“, erläutert Ecker. Ziel sei es, dazu beizutragen, dass Asylanträge möglichst ausschließlich anhand sachlicher Kriterien entschieden werden. Um den beobachteten Geschlechtereffekten gegenzusteuern, sei es möglicherweise sinnvoll, Asylanträge und Beschwerden von geschlechterparitätisch besetzten Gremien entscheiden zu lassen, so eine Anregung der Autoren.

Text: Nikolaus Hollermeier / Oktober 2019