Power-Frauen

Corinna Jann-Grahovac ist eine von 108 Lehr­stuhl­sekretärinnen und Lehr­stuhl­sekretären an der Universität. Ihre Chefs: Die VWL-Professoren Tom Krebs und Michèle Tertilt. Als Sekretärin der diesjährigen Leibnizpreisträgerin hat sie einiges zu tun.

Es ist der 6. Dezember 2018 – Nikolaustag. Die Deutsche Forschungs­gemeinschaft verkündet die Mannheimer Volkswirtin Michèle Tertilt als Trägerin des Leibnizpreises 2019, der höchsten wissenschaft­lichen Auszeichnung im deutschsprachigen Raum. Regionale und überregionale Medien wollen über die Ausnahmeforscherin berichten. Die erste Stimme, die sie bei ihrem Anruf hören, ist die von Corinna Jann-Grahovac. Michèle Tertilt soll auf die Titelseite eines großen Wirtschafts­magazins, ein Fernsehsender möchte einen Beitrag über sie drehen. Corinna Jann-Grahovac kümmert sich darum, dass die Forscherin dafür professionell gestylt wird. Für sie kein Problem: Bevor sie Sekretärin wurde, arbeitete sie als Redakteurin bei einem Magazin in Hannover und kennt die Medienwelt. „Das große Medieninteresse an meiner Chefin merkt man ihr aber nicht an. Sie ist immer dankbar für Feedback und sehr bodenständig“, sagt Jann-Grahovac, die auch stets Tertilts Vorträge auf Verständlichkeit gegenliest und ihre Powerpoint-Folien für die Vorlesungen kontrolliert.

Seit der ersten Stunde ist Corinna Jann-Grahovac ihre Sekretärin, damals als sie von Stanford nach Mannheim kam als erste und einzige Professorin in der VWL-Abteilung. Michèle Tertilt – das ist auch eine Garantin für Großprojekte mit Millionen­förderung, die ebenfalls Corinna Jann-Grahovac verwaltet: „Das ist alles weit weg von dem Stereotyp der kaffeekochenden Sekretärin, die Kekse in Besprechungen serviert. Darauf legt meine Chefin, die sich sehr in der Frauenforschung engagiert, großen Wert.“ Natürlich mache sie auch die typischen Sekretariatsaufgaben wie Reisekostenabrechnungen, Vorbereitungen für bevorstehende Lehr­veranstaltungen und organisiert Tagungen und Forschungs­seminare mit. Eine weitere Besonderheit sei jedoch die Internationalität der beiden Lehr­stühle. Viele internationale Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler betreut Jann-Grahovac pro Jahr und auch die meisten wissenschaft­lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus dem Ausland.

Jann-Grahovac schätzt das internationale Klima an der Universität Mannheim, auch wenn es den Beruf der Sekretärinnen und Sekretäre an den Lehr­stühlen grundlegend verändert hat: Vielerorts läuft fast die gesamte Kommunikation auf Englisch – eine Herausforderung für viele. In der VWL-Abteilung rief sie deshalb einen Englischkurs ins Leben. „Die Englischlehr­erin hat den Inhalt auf unsere speziellen Bedürfnisse zugeschnitten, viele meiner Kolleginnen machten mit. Den Kurs gibt es noch heute“, sagt die Sekretärin, die mittlerweile selbst nicht mehr daran teilnimmt. Denn üben kann sie hier jeden Tag genug.

Fremdsprachen sind für sie außerdem nichts Neues. Neben Germanistik hat sie Slawistik auf Magister studiert. Mit einem Stipendium verbrachte sie ein halbes Jahr an der Universität im früheren Leningrad, noch während des Kalten Krieges. „Meinen Eltern war das natürlich überhaupt nicht recht, für mich war es aber ein großes Abenteuer“, erinnert sie sich. Die Leidenschaft für Russland ist nie erloschen, immer wieder arbeitete sie als Reiseleiterin – bis heute: Im vergangenen Jahr begleitete sie eine Journalistin für einen Reiseblog nach Sibirien und in der Trans­sibirischen Eisenbahn nach Moskau. Auch ihren Mann, einen Maschinenbauingenieur, hat sie in einem Zug kennengelernt – damals als sie mit 27 Jahren und einem weiteren Stipendium im ehemaligen Jugoslawien studierte. Als die gemeinsame Tochter zur Welt kam, schaute sich die Redakteurin nach einem Job um, der mit der Familie vereinbar ist und wurde so Sekretärin der Frauenvertreterin an der Universität Ulm. „Für Sekretärinnen ist es nicht ungewöhnlich, studiert zu haben. Auch bei uns an der Universität Mannheim gibt es viele“, sagt sie.

Seit 17 Jahren arbeitet sie nun in Mannheim, erst als Sekretärin der Philosophischen Fakultät und dann in der VWL. Wer so lange hier ist, wird gerne nach Rat gefragt. „Natürlich unter­stütze ich jeden, wo ich nur kann. Ich helfe den internationalen Wissenschaft­lern, sich ins deutsche Hochschul­system einzuarbeiten oder mit Problemen bei  der Suche nach einer Kinderbetreuung oder einem Parkplatz. Die Mama der Abteilung will ich jedoch nicht sein“, sagt sie selbstbewusst. Jann-Grahovac rechnet. So um die 500 Menschen hat sie schon kommen und gehen sehen. „Viele der Juniorprofs sind mir besonders ans Herz gewachsen. Mit einigen stehe ich immer noch in Kontakt. Sie rufen an, schreiben eine E-Mail und viele trifft man hier auch persönlich wieder“, erzählt sie. Auch, dass man über  so viele Jahre mit zwei Professoren zusammenarbeitet, sei etwas Besonderes. Zufriedenheit herrscht also offensichtlich auf beiden Seiten.

Text: Nadine Diehl / Oktober 2019