Im Portrait: Dr. Hans-Peter Wild

Herr der Aromen, Vater der Capri-Sun. Dr. Hans-Peter Wild ist weltberühmt, denn er hat das Eppelheimer Familien­unternehmen seines Vaters zum globalen Konzern gemacht. Doch die Heimat bleibt die Heimat und so engagiert sich der promovierte Jurist unermüdlich für die Metropolregion. Mit dem „Beste-Köpfe-Programm“ fördert er seine Alma Mater – die Universität Mannheim.

Ein Sommer im Freibad. Eifriges Hantieren, bis der dünne Strohhalm aus der Hülle flutscht, ein Herumstochern, bis die winzige, vorgestanzte Öffnung getroffen wird, ein kurzes „Ups!“  – der erste Tropfen schwappt daneben. Der Zweite aber, der schmeckt dafür umso köstlicher im Kindermund. Capri-Sun. An diesem Kultgetränk aus der originellen Verpackung kleben zahllose nostalgische Kindheitserinnerungen und Dr. Hans-Peter Wild kennt viele von ihnen, denn er bekommt sie nicht selten erzählt. Wie ein stolzer Vater lächelt er bei diesen Erzählungen und hört staunend zu, denn natürlich ist er sich darüber im Klaren, dass er Capri-Sun (vormals und in den meisten nostalgischen Erinnerungen noch Capri Sonne) zur Weltmarke gemacht hat – mehr als 5,5 Milliarden Beutel werden pro Jahr rund um den Globus ausgetrunken – aber, dass ein Getränk so dermaßen die Herzen berührt, davon hätte auch er in keinem seiner Businesspläne jemals zu träumen gewagt. Der 81-jährige selbst erlebte eine Kindheit ohne Capri-Sun und doch wurde er schon hineingeboren in einen Kosmos, der sich ganz um Getränke und Geschmacksrichtungen drehte. 1931, zehn Jahre vor Hans-Peter Wilds Geburt, gründeten seine Eltern Rudolf und Leonie Wild das „Zick-Zack-Werk Rudolf Wild“. Das Unternehmerpaar hatte sich zum Ziel gesetzt, Grundstoffe für alkoholfreie Getränke ausschließlich aus natürlichen Rohstoffen herzustellen. Nun, mehr als 90 Jahre später, muss man sagen: Diese Idee ist aufgegangen. Ob Nestlé oder Unilever, Dr. Oetker oder Haribo – das einstige Familien­unternehmen ist heute ein Global Player und beliefert die ganz Großen der Lebens­mittelbranche mit dem passenden Geschmack. Denn parallel zum System Capri-Sun hatte Hans-Peter Wild das Schwester-Unternehmen „Wild Flavors“ aufgebaut, das Aromen, Extrakte und Fruchtzubereitungen in 16 Produktions­stätten rund um den Globus herstellte. Seit Hans-Peter Wild 2014 den Ingredients-Hersteller verkaufte, gehört Wild Flavors zum amerikanischen Konzern ADM.  

Wild selbst lebt seit Dekaden in der Schweiz, der Privatjet war lange Jahre sein Büro – doch seine Heimat, das ist Heidelberg. Hier in Eppelheim hat alles angefangen, hier stand das Elternhaus direkt neben dem Fabrikgelände und die Welt war noch ein andere. „Als ich im Juni 1941 geboren wurde, war der Alltag durch den Krieg geprägt. Obwohl ich in Eppelheim eine weitgehend friedliche Kindheit erleben durfte, musste ich früh erfahren, was Krieg bedeutet. Aber meine Mutter hatte es geschafft, unsere Fabrik aufrechtzuerhalten, bis mein Vater 1945 wieder aus dem Krieg heimkehrte. Die Beiden waren fortan ein unschlagbares Team, um das Unternehmen weiter auf- und auszubauen“, erinnert sich Wild an diese Zeit. Inspiriert von seinem tatkräftigen Elternpaar stand für Hans-Peter Wild selbst schon recht früh fest, dass auch er in das Familien­unternehmen eintreten wollte. „Da wir unmittelbar neben der Produktions­stätte gewohnt haben, war unsere Firma immer schon ein fester Teil meines Lebens. Die Menschen dort kannten wir, die Arbeits­abläufe gehörten quasi zu unserem Alltag. Wir haben als Kinder auf dem Betriebs­gelände gespielt, die unternehmerischen Fragen wurden oft im Elternhaus besprochen und geklärt – und ich fand alle diese Themen deutlich spannender und interessanter als meine schulischen Aufgaben“, erzählt Wild und muss schmunzeln. Mutter Leonie setzte sich allerdings mit Vehemenz dafür ein, dass dies nicht zu früh geschehe, weiß Wild zu berichten: „Sie hatte oft betont, dass junge Menschen erst die Welt kennenlernen sollten, bevor sie letztendlich ihren Berufsweg einschlagen.“ Mit Mutters weisem Rat im Gepäck machte sich der junge Abiturient auf den Weg und studierte in Heidelberg, München und Mannheim, an der Sorbonne Université und der University of Cambridge und schloss seine exzellente Ausbildung mit einer Promotion an der juristischen Fakultät der Universität Mannheim ab. Die damals gemachte internationale Erfahrung war dann der ausschlaggebende Faktor, der in Wild die Idee vom globalen Konzern reifen ließ. 1974 stieg Wild ins väterliche Unternehmen ein, 1979 gelang ihm die legendäre Verpflichtung von Box-Weltmeister Muhammad Ali als Werbefigur (das Wichtigste für Ali an dem Werbevertrag war, dass er Capri-Sun anschließend regelmäßig kostenlos zugesandt bekommen würde, erzählt Wild), der internationale Durchbruch war geschafft.  

Zum Erfolgsrezept von Capri-Sun gehört, dass Wild früh erkannte, dass Geschmäcker sich unterscheiden. Und zwar pro Region. In 110 Ländern gibt es das Kultgetränk mittlerweile zu kaufen – und je nachdem, ob man sie nun in Nigeria oder Japan, in den USA oder Israel kostet, schmecken sie doch immer verschieden. Mit Leib und Seele „Business-Man“, immer seinem Lebens­motto „hard work and fun“ folgend, bleibt Wild bis heute umtriebig. 2017 übernahm er den namhaften Pariser Rugby-Proficlub Stade Français (die Leidenschaft fürs Rugby hatte ihm einst der Vater mitgegeben), mit der von ihm und seiner Mutter gegründeten Leonie-Wild-Stiftung kümmert er sich um die Förderung sozialer Projekte in der Metropolregion Rhein-Neckar, an der Universität Mannheim initiierte er unlängst das „Beste-Köpfe-Programm“. „Wir hier in Deutschland müssen uns mit unseren Universitäten sehr anstrengen, um international mit anderen renommierten Einrichtungen Schritt halten zu können. 2007 habe ich hier an der Universität das Wild-Top-Brain-Programm ins Leben gerufen. Nach Gründung und Neuaufstellung der ‚Stiftung Universität Mannheim‘ wird es nun als ‚Beste Köpfe‘-Programm weitergeführt, aber der Zweck ist derselbe geblieben. Ich hoffe sehr, dass die Universität es langfristig schaffen wird, dank exzellenter Lehr­ender und Forschender international stets vorne mitspielen zu können“, erklärt Wild sein Engagement. 

Voller Tatendrang wirkt Hans-Peter Wild. In astreinem Englisch führt er Telefonate – ein Mensch, der schon die ganze Welt gesehen hat. Neugier und die Freude am lebens­langen Lernen seien bis heute seine beiden größten Antriebsfaktoren, beteuert der erfolgreiche Unternehmer. Wenn er ins Deutsche wechselt und man ganz genau hinhört, da hört man allerdings einen äußerst sympathischen, kurpfälzischen Singsang durch seine Worte hindurchklingen.  

Text: Jule Leger / Oktober 2022