Prof. Dr. Svenja Behrendt beschäftigt sich in ihrer Veröffentlichung mit der Frage, ob politische Entscheidungsträger*innen bereits jetzt rechtlich verpflichtet sind, die Interessen zukünftiger Generationen zu schützen. Ihr Fazit: Unsere Pflichten gegenüber den künftigen Interessen gegenwärtig oder zukünftig lebender Menschen sind bereits jetzt grundrechtlich verankert. Es bedarf keiner zusätzlichen Rechtsnorm, um eine Pflicht zum Schutz beispielsweise vor den Folgen des Klimawandels positiv-rechtlich zu verankern. Der Aufsatz mit dem Titel „Facing the Future: Conceiving Legal Obligations towards Future Generations“ ist in der Fachzeitschrift Politics and Governance erschienen.
Bisher war umstritten, ob es eine gegenwärtige Pflicht zugunsten noch nicht existierender Akteur*innen gibt – sowohl unter Jurist*innen als auch in der Philosophie. Die gängige Argumentation besagt, dass ein rechtliches Subjekt, das noch nicht existiert, gegenwärtig keine Ansprüche haben kann und dementsprechend auch keine Pflichten ihm oder ihr gegenüber entstehen können.
Behrendt widerspricht dieser Annahme: Ihrer Meinung nach lassen sich Ansprüche zukünftiger Generationen durchaus grundrechtlich begründen, weil sich die Rechtsverhältnisse kontinuierlich entwickeln. Zukünftig entstehende Ansprüche können gegenwärtige Pflichten für die heutigen Entscheidungsträger*innen begründen.
Klare Ansagen der Politik nötig
Sie bemängelt zudem, dass sich aus der bisherigen Annahme lediglich eine Selbstverpflichtung der Gesellschaft ableiten lasse, aktiv zum Schutz zukünftiger Lebensbedingungen beizutragen. „Mit einer Selbstverpflichtung der Gesellschaft kann man den grundrechtlich geschützten Interessen künftiger Generationen nicht wirklich Rechnung tragen“, argumentiert die Juristin.
„Wir brauchen vernünftige, klare Ansagen von der Politik, die sich bereits jetzt auf den Wandel hin zu nachhaltigen Verhaltensweisen festlegen sollte“, so Behrendt weiter. Die ganze Gesellschaft, Wirtschaft wie auch Privatpersonen müssten Planungssicherheit haben. Das ist ein Aspekt, den das Bundesverfassungsgericht 2021 nach Ansicht von Behrendt zu Recht hervorgehoben hat.
Text: Yvonne Kaul / August 2024