Der Fahrplan für die nächsten fünf Jahre
Die Universität Mannheim hat ihre Strategie bis 2028 verabschiedet: Im neuen Struktur- und Entwicklungsplan (StEP) formuliert sie ihre strategischen Ziele und definiert Maßnahmen, um diese zu erreichen. Federführend im Strategieprozess für die Jahre 2024 bis 2028 war Prorektor Prof. Dr. Thomas Fetzer, der am 1. Oktober das Amt des Rektors übernehmen wird. Im Interview berichtet er vom Entstehungsprozess, von den wichtigsten Zielen und den zukünftigen Herausforderungen für die Universität.
FORUM: Beim aktuellen StEP gab es einige Neuerungen. Wie ist das Strategiepapier entstanden?
Thomas Fetzer: Die gesetzlichen Vorgaben waren dieses Mal andere als in den Jahren zuvor. Bisher bestand der StEP meist aus langen Abschnitten zu den einzelnen Fakultäten, wohingegen jetzt eine universitäre Gesamtstrategie im Vordergrund steht. Wir haben diese geänderten Vorgaben als Chance für einen gesamtuniversitären Strategieprozess verstanden. In Workshops mit Vertreter*innen aller Fakultäten, der zentralen Einrichtungen und der Verwaltung, in Gesprächen mit den Studierenden und im Dialog mit dem Senat haben wir uns gemeinsam auf sehr konkrete Ziele und Maßnahmen geeinigt. Es waren alle Stakeholder der Universität beteiligt. Das schafft auch mehr Akzeptanz, um die gesetzten Ziele gemeinsam zu verfolgen.
FORUM: Wie haben Sie selbst den Strategieprozess erlebt?
Fetzer: Es war eine außerordentlich positive Erfahrung. Natürlich erfordert eine Strategie, dass man Prioritäten setzt – und nicht alle finden alles gleich gut. Aber der StEP ist im Senat und im Universitätsrat einstimmig verabschiedet worden. Und das liegt, wie ich glaube, auch daran, dass wir versucht haben, alle in jeden Schritt einzubinden, und Priorisierungen erklärt haben.
FORUM: Der StEP ist sehr umfassend. Wenn Sie drei Ziele herausgreifen müssten, welche wären das?
Fetzer: Um weiterhin attraktiv zu bleiben für die besten Forschenden, Lehrenden, Studierenden und Mitarbeitenden, ist ein zentrales Ziel, dass wir auch künftig in der Einzelforschung sowie insbesondere in der Verbundforschung, wie zum Beispiel bei Sonderforschungsbereichen oder Leibniz-WissenschaftsCampi, erfolgreich sind.
Das zweite wichtige Ziel ist, dass wir beim Thema Gleichstellung weiterkommen. Derzeit haben wir einen Anteil von etwa 22 Prozent Frauen auf W3-Professuren – und das, obwohl wir ein Fächerprofil haben, in dem das Geschlechterverhältnis bei den Studierenden über alle Fakultäten hinweg nahezu ausgeglichen ist. Wir nutzen also unsere Potenziale nicht.
Außerdem müssen wir uns im Bereich Digitalisierung stetig weiterentwickeln, sowohl in der Verwaltung als auch in Forschung und Lehre.
FORUM: Mit welchen Maßnahmen möchte die Universität diese Ziele erreichen?
Fetzer: Verbundforschungsprojekte haben einen längeren Vorlauf. Für ihren Erfolg ist unter anderem maßgeblich, dass die Beteiligten schon zuvor erfolgreich zusammengearbeitet haben. Wir müssen also die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit, auch über Disziplingrenzen hinweg, verbessern. Deshalb werden wir ein Center for Advanced Studies gründen, in dem Forschende aus allen Disziplinen an Forschungsprojekten arbeiten können – idealerweise gemeinsam und interdisziplinär. Dafür werden wir ihnen die notwendigen zeitlichen Freiräume verschaffen.
Im Bereich der Gleichstellung erhoffen wir uns viel von unserer Beteiligung am Professorinnenprogramm 2030, mit dem Bund und Länder die Berufung von Frauen auf W3-Professuren fördern. Entscheidend ist aber, dass Karrieren für junge Wissenschaftlerinnen attraktiver werden. Da geht es um Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenso wie um planbare Karriereperspektiven. Ein wichtiges Instrument können hier sicher Juniorprofessuren mit Tenure Track sein.
Das Thema Digitalisierung müssen wir gesamtuniversitär betrachten. Deshalb werden wir im neuen Rektorat einen Prorektor für Digitalisierung haben, der eng mit der Kanzlerin zusammenarbeiten wird, die für die Digitalisierung der Verwaltung zuständig ist. In der Lehre wollen wir digitale Technologien ausbauen, um das Lehren und Lernen besser und inklusiver zu machen. Dafür benötigen wir unter anderem neue und andere Räume, in denen digitale Lehre möglich ist. Und wir müssen unsere Lehrenden und Studierenden bei der Nutzung dieser Technologien unterstützen und ihnen manchmal auch Vorbehalte nehmen. Für die Forschung ist gerade für eine Universität mit einem stark empirischen Fokus das Forschungsdatenmanagement zentral.
FORUM: Wovon hängt es ab, wie schnell und erfolgreich die Maßnahmen umgesetzt werden?
Fetzer: Wir befinden uns im Moment in Verhandlungen mit dem Land zum neuen Hochschulfinanzierungsvertrag, der ab 2026 gelten wird. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass die finanziellen Rahmenbedingungen zukünftig nicht besser werden. Wir werden also noch viel mehr als bisher darauf angewiesen sein, Drittmittel einzuwerben.
FORUM: Sie treten am 1. Oktober das Amt als Rektor an und übernehmen damit die Hauptverantwortung für die Umsetzung des StEP. Wo möchte die Universität mit ihrer Strategie hin?
Fetzer: Wir wollen weiterhin die führende Universität in unseren Kernfächern sein, das heißt jeweils die Nummer 1 in Deutschland und in der Spitzengruppe in Europa. Außerdem wollen wir auch zukünftig fächerübergreifend als Ort für empirische Spitzenforschung wahrgenommen werden. Eine der Stärken der Universität Mannheim ist, dass wir mit unseren fundierten empirischen Kompetenzen für aktuelle soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen belegbare Handlungsoptionen aufzeigen können, die auch für die Politik relevant sind.
FORUM: Wo möchten Sie während Ihrer Amtszeit weitere Schwerpunkte setzen?
Fetzer: Der StEP zeichnet hier schon viel vor. Ich denke aber, dass wir uns auch das Leitbild der Universität vor dem Hintergrund ganz fundamentaler politischer, gesellschaftlicher, ökonomischer, technischer und ökologischer Veränderungen gemeinsam anschauen müssen. Wir müssen uns fragen, für welche Werte wir künftig als Universität und als Universitätsmitglieder stehen und wie wir zu deren Verwirklichung beitragen können. Um nur drei Beispiele zu nennen: Was bedeuten uns eigentlich Wissenschaftsfreiheit oder Nachhaltigkeit? Wie gehen wir mit Künstlicher Intelligenz um? Auch dazu braucht man einen partizipativen Prozess, der nicht von heute auf morgen ablaufen wird. Ich würde ihn aber gerne anstoßen.
FORUM: Was sind die größten Herausforderungen für die Universität in den kommenden Jahren?
Fetzer: Abgesehen von der Finanzierung, die immer eine Herausforderung ist, haben wir es mit einer zunehmenden Wissenschaftskritik in der Gesellschaft zu tun, die mir Sorgen macht. Es wird immer schwieriger, Menschen außerhalb der Hochschulen den Wert von Wissenschaft klarzumachen. Man muss ehrlicherweise sagen: Da müssen wir auch besser in der Vermittlung werden. Und auch mehr zuhören, was die Menschen bewegt. Schließlich haben die letzten Jahre gezeigt, wie sich unerwartete politische, ökonomische und technische Entwicklungen und Krisen auf globaler Ebene auf die Universität auswirken können. Aber ich bin mir sicher, dass wir gut für künftige Herausforderungen gerüstet sind, weil wir hervorragende Forschende, Lehrende, Studierende und Mitarbeitende haben.
Interview: Katja Bauer und Dr. Maartje Koschorreck / August 2024
Weitere Infos finden Sie auf unserer Webseite Strategie der Universität.