Mannheimer Corona-Studie: Starke soziale Ungleichheit bei Home- Office und Kurzarbeit / 93 Prozent der Eltern betreuen ihre Kinder zu Hause

Als Vertiefung der täglichen Berichte zur Mannheimer Corona-Studie stellt ein Team von Sozialforschern der Universität Mannheim die sozio-ökonomischen Unterschiede in der Erwerbs­tätigkeit und Kinderbetreuung der Bevölkerung in einem Schwerpunktbericht dar. Dieser bezieht sich auf die Ergebnisse der Studie vom 20. März bis einschließlich 3. April.

Pressemitteilung vom 9. April 2020
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Prof. Dr. Katja Möhring, Dr. Elias Naumann und Maximiliane Reifenscheidzeigen in ihrem Bericht auf, wie sich die Arbeits­situation der Beschäftigten durch die Maßnahmen der Pandemiebekämpfung verändert, unter anderem auch der Anteil der Personen in Kurzarbeit. Dabei unterscheiden sie nach Bildungs­hintergrund, Einkommenssituation, Berufs­gruppe und familiärer Situation.

Deutlich wird, dass nach wie vor gut die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland beim Arbeitgeber vor Ort arbeitet. Dem gegenüber steht ein gutes Viertel, dass im Home-Office tätig ist. „Bei der Beschäftigungs­situation seit Beginn der Corona-Krise sehen wir starke Unterschiede nach Bildungs- und Einkommens­gruppen. Deutlich mehr Personen mit hohem Bildungs­abschluss und gutem Verdienst arbeiten im Home-Office, Personen mit niedrigem Bildungs­abschluss sind dagegen stark von Freistellungen und Kurzarbeit betroffen“, sagt Prof. Möhring. So arbeiten 44 Prozent der Personen mit Hochschul­abschluss im Home-Office, bei Personen mit Real- oder Hauptschul­abschluss liegt dieser Anteil nur bei 15 bzw. 10 Prozent. Ersichtlich wird ebenso, dass es bezüglich des Home-Office-Anteils kaum Unterschiede zwischen kinderlosen Personen und jenen mit Kind(ern) gibt. „Die Möglichkeit zum Home-Office folgt also eher den Erfordernissen der Tätigkeit als der familiären Situation“, ergänzt Möhring. Kurzarbeit, Freistellung und Arbeits­losigkeit treffen vor allem die Menschen, die schon vor der Corona-Krise nur ein geringes Einkommen zur Verfügung hatten. Besonders stark betroffen ist das Gastgewerbe, hier sind bereits fast die Hälfte der Arbeitnehmer in Kurzarbeit oder arbeits­los.

In Bezug auf die Kinderbetreuung differenziert der Bericht nach verschiedenen Betreuungs­formen innerhalb und außerhalb des Haushalts. Dabei wird auch die Aufteilung der Betreuungs­arbeit zwischen den Partnern aufgezeigt. Der Trend ist eindeutig: Etwa 93 Prozent aller Eltern betreuen ihre Kinder zu Hause selber und weniger als zwei Prozent der Eltern mit Kindern im Kita- und Grundschulalter nutzen die Notfallbetreuung. Sprangen vor der Corona-Pandemie noch in etwa 8 Prozent der Familien die Großeltern regelmäßig als Betreuung ein, ist dies mittlerweile nur noch bei 1,4 Prozent der Fall. Bezogen auf die Verteilung der Kinderbetreuung im Haushalt zeigt sich, dass in der Hälfte der Fälle Frauen alleine die Kinderbetreuung übernehmen und in je einem Viertel die Betreuung entweder von beiden Partnern oder nur vom Mann übernommen wird.

Die Mannheimer Corona-Studie

Die Gesellschafts­studie wird im German Internet Panel (GIP) am Sonderforschungs­bereich 884 „Politische Ökonomie von Reformen“ der Universität Mannheim durchgeführt. Das interdisziplinäre Forscherteam befragt die Studien­teilnehmerinnen und -teilnehmer nun auf täglicher Basis zu relevanten Themen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Die Ergebnisse werden täglich aufbereitet und auf der Website des GIP veröffentlicht. Schwerpunktberichte geben weitere Hintergründe zum Leben in Zeiten der Corona-Pandemie.

Laut Prof. Dr. Blom, Leiterin des GIP und der Mannheimer Corona-Studie, „bietet die Methodik des German Internet Panel eine einzigartige Möglichkeit, die Aus­wirkungen der Corona-Pandemie auf die Gesellschaft tagesaktuell in einer Zufallsstichprobe der allgemeinen Bevölkerung zu untersuchen.“ Für sie gehe mit den Möglichkeiten des GIP auch eine gesellschaft­liche Verpflichtung einher: „Mit der Mannheimer Corona-Studie möchten wir dazu beizutragen, den Einfluss der Corona-Krise auf Deutschland zu verstehen und die Öffentlichkeit sowie Entscheidungs­träger in Politik und Wirtschaft täglich über die gesellschaft­lichen Entwicklungen zu informieren“, so Blom. Deutschland stehe noch vor dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Es sei abzuwarten, welche gesellschaft­lichen Aus­wirkungen diese noch mit sich bringe. Diese Entwicklungen wird die Studie langfristig dokumentieren. „Die beteiligten Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler haben in den vergangenen Tagen aufopferungs­voll an der qualitativ-hochwertigen Durchführung und Auswertung der Studie gearbeitet, um der Öffentlichkeit zeitnah Ergebnisse zu Verfügung zu stellen. Das ist eine wissenschaft­liche Höchstleistung“, so Blom weiter.

Die Methodik der Studie in Kurzfassung

Die Studie baut auf der Methodik und Infrastruktur des German Internet Panels (GIP) auf. Das GIP basiert auf einer Zufallsstichprobe der allgemeinen Bevölkerung in Deutschland und wir seit 2012 regelmäßig durchgeführt. Für die Mannheimer Corona-Studie wurde die GIP-Stichprobe in zufällige Substichproben unterteilt, die jeweils einem anderen Wochentag zugeordnet wurden. An jedem Wochentag wird daher ein zufälliger Teil des GIP befragt.

Innerhalb einer Woche bleibt der Fragebogen genau gleich. Auch über die Wochen hinweg, werden die Fragebögen möglichst konstant gehalten, um eine tägliche Fortschreibung der Ergebnisse über einen langen Zeitraum zu erlauben. Die Studie möchte aber auch tiefergehende Schwerpunktanalysen zu ausgewählten Themen durchführen und unvorhergesehene Ereignisse abdecken. Dazu wird der Fragebogen jede Woche evaluiert und für die nächste Woche aktualisiert.

Links:

Kontakt:
Prof. Dr. Katja Möhring
Lehr­stuhl für Makrosoziologie
Universität Mannheim
Tel. +49 621 181-2030
E-Mail: moehringmail-uni-mannheim.de 

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de