Zahlungs­aufschübe helfen verschuldeten Entwicklungs­ländern doch

Hochverschuldete Länder kommen besser mit Krisen zurecht, wenn ihre Kreditgeber ihnen Zahlungs­aufschübe gewähren. Das zeigt eine neue Studie der Ökonomen Valentin Lang (Universität Mannheim), David Mihalyi (Universität Kiel) und Andrea Presbitero (Internationaler Währungs­fonds). Die Ergebnisse der Studie sind auch für politische Entscheidungen von Bedeutung.

Pressemitteilung vom 25.05.2022
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Der Globale Süden steht derzeit kurz vor einer neuen Welle an Schuldenkrisen. Pandemie und steigende Rohstoff- und Lebens­mittelpreise haben vielen Entwicklungs­ländern schwer zugesetzt. Kann man diesen Ländern mit Schuldenerleichterungen helfen? Eine neue Studie zeigt, dass die Zahlungs­aufschübe, die vielen Entwicklungs­ländern zu Beginn der Pandemie gewährt wurden, tatsächlich geholfen haben: Länder, die ihre Schulden später zurückzahlen durften, profitierten von einer höheren Kreditwürdigkeit und dadurch von niedrigeren Zinsen am internationalen Kapital­markt.

Die Studie von Prof. Dr. Lang und seinen Kollegen untersucht die Aus­wirkungen der Debt Service Suspension Initiative (DSSI), eines Schuldenmoratoriums für Entwicklungs­länder, das die G20 zu Beginn der Pandemie beschlossen hatte. Die Initiative erlaubte es den 77 ärmsten Ländern der Welt, ihren Schuldendienst von Mitte 2020 bis Ende 2021 auszusetzen. Dadurch konnten sie freiwerdende Mittel einsetzen, um Gesundheits­system und Wirtschaft während der Pandemie zu unterstützen.

Wie bei den meisten Schuldenerleichterungen in der Vergangenheit gab es zu Beginn große Bedenken, dass die Initiative den Ländern mehr schaden als nutzen könne. Durch die Teilnahme daran, so die Sorge, würden die Länder den Märkten signalisieren, dass sie vor Zahlungs­problemen stehen. Das könne Investoren abschrecken und so die Kosten für neue Kredite steigen lassen. Tatsächlich weigerten sich viele der teilnahmeberechtigten Länder ursprünglich sogar, einen Aufschub zu beantragen.

Die Analyse der Daten zeigt jedoch das genaue Gegenteil dieser Befürchtungen: Schon einige Wochen nach Beginn der Initiative war eine deutliche Entspannung in den teilnahmeberechtigen Ländern zu beobachten. Statt eines Anstiegs zeigte sich ein Rückgang der Verschuldungs­kosten für die beteiligten Länder. Für die Analyse nutzten die Wissenschaft­ler tagesgenaue Daten vom Anleihen­markt und konstruierten für jedes teilnahmeberechtigte Land einen statistischen Doppelgänger, der Aufschluss darüber gab, wie sich die Zinsen auf Staats­anleihen ohne die Zahlungs­aufschübe entwickelt hätten. In allen Fällen zeigte sich eine Verbesserung der Situation durch den Zahlungs­aufschub. Besonders stark war die Verbesserung bei Ländern, denen größere Aufschübe gewährt wurden.

Angesichts der zunehmend kritischen Schuldenlast in vielen ärmeren Ländern, sind diese Ergebnisse auch für anstehende politische Entscheidungen von Bedeutung. Laut dem Internationalen Währungs­fonds (IWF) befinden sich mehr als die Hälfte aller Länder mit niedrigen Einkommen derzeit in oder kurz vor einer Schuldenkrise. Forderungen nach Schuldenerleichterungen für diese Länder werden immer lauter. Da sich Kreditgeber aber oft weigern, Schulden ganz oder teilweise zu erlassen, sind Schuldenschnitte politisch meist schwer umzusetzen. Beim Gewähren von Aufschüben wird die Höhe der Schulden jedoch nicht reduziert. Wenn Kreditgeber also nicht bereit sind, auf Rückzahlungen zu verzichten, kann das einfache Aufschieben der Rückzahlungen ein effektiver erster Schritt sein – möglicherweise auch in den bevorstehenden Schuldenkrisen.

Originalpublikation:
Die Studie wurde jüngst im American Economic Journal: Economic Policy veröffentlicht und ist hier verfügbar. Eine Zusammenfassung findet sich auf der Plattform Vox EU.

Kontakt:
Prof. Dr. Valentin Lang
Juniorprofessor für International Political Economy and Development
Universität Mannheim
E-Mail: langmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1266
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de