GBP-Monitor: Immer mehr Unter­nehmen geben in ihren Finanz­berichten überhöhte Gewinne an

Der September-Bericht des German Business Panel (GBP) belegt, dass finanz­ielle Unter­nehmens­kennzahlen derzeit mit besonderer Vorsicht zu lesen sind. Denn offenbar nutzen Unter­nehmen ihren bilanziellen Ermessensspielraum noch stärker als üblich und insbesondere, um ihre Gewinne höher aussehen zu lassen. Der Anteil dieser Unter­nehmen hat sich seit dem Frühjahr auf über 10 Prozent verdreifacht und ist in Krisenbranchen besonders hoch. Ein Grund dafür könnte die weiterhin angespannte wirtschaft­liche Lage sein: In energieintensiven Branchen steigt die Ausfallerwartung auf bis zu 16 Prozent.

Pressemitteilung vom 15. September 2022
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Der wirtschaft­liche Ausblick in Deutschland bleibt eingetrübt. Die September-Daten zeigen, dass den leicht verbesserten betriebs­wirtschaft­lichen Kennzahlen eine wieder gestiegene Ausfallwahrscheinlichkeit gegenübersteht. Die erwarteten Unter­nehmens­ausfälle steigen auf 14,3 Prozent. In energieinten­siven Branchen wie dem Maschinenbau steigt die Rate auf 16 Prozent und in den von Corona betroffenen Krisenbranchen wie dem Gastgewerbe sogar auf 18,2 Prozent. Die Ausfallwahrscheinlichkeit gibt Auskunft darüber, für wie wahrscheinlich es Unter­nehmerinnen und Unter­nehmer halten, dass ein Unter­nehmen der eigenen Branche innerhalb der folgenden 12 Monate aus der Geschäfts­tätigkeit ausscheidet.

Da der erhöhte wirtschaft­liche Druck die Unter­nehmens­ziele sowie das Über­leben gefährdet, greift die große Mehrheit der Betriebe zu bilanzpolitischen Maßnahmen: Knapp 85 Prozent der Unter­nehmen geben an, ihre Ergebnisse aktiv zu steuern. Erstes Mittel ist in den meisten Fällen eine Kostensenkungs­strategie, die Einsparungen im Verbrauch vorsieht, aber auch Personalabbau. Zunehmend sind allerdings auch rein bilanzielle Maßnahmen zu beobachten, mit denen Gewinne künstlich erhöht werden – gerade bei großen Unter­nehmen.

„Es geht dabei nicht um Betrügereien oder Bilanzfälschungen“, erläutert Prof. Dr. Jannis Bischof, Inhaber des Lehr­stuhls für ABWL und Unter­nehmens­rechnung an der Universität Mannheim und GBP-Leiter. „Dass die Unter­nehmen ihre Gewinne angesichts der dramatischen Energie- und Rohstoffkrise im Rahmen des Erlaubten nach oben schrauben, ist nicht verwunderlich. Sie tun das, um ihre Kreditwürdigkeit überzeugend darzustellen und die Investoren zu beruhigen“, fügt Bischof hinzu. Passend zur wirtschaft­lichen Lage ist die Neigung zur Anwendung von Bilanzpolitik in zwei Branchen besonders ausgeprägt: im Handel (21,5 Prozent) und im Baugewerbe (21,3 Prozent).

Die Daten zeigen zudem, dass der Anteil von Unter­nehmen, die ihre Gewinne in den Bilanzbüchern höher haben aussehen lassen, in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen hat: Zuletzt gaben 10,4 Prozent der Unter­nehmen an, Bilanzpolitik zur Gewinnsteigerung zu betreiben – knapp dreimal so viel wie noch im Frühjahr (circa 3 Prozent im Februar 2022). In guten Zeiten neigen Unter­nehmen eher dazu, ihre Gewinne zu niedrig zu berechnen, nicht zuletzt um Steuern zu minimieren. So hat noch bis April 2022 die Mehrzahl der Unter­nehmen ihre Gewinne möglichst niedrig dargestellt.

Den „GBP-Monitor: Unter­nehmens­trends im Juni 2022“ finden Sie hier.

Weitere Informationen zum GBP-Monitor
Das German Business Panel befragt monatlich mehr als 800 Unter­nehmen zur Unter­nehmens­lage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitions­änderungen, 2) unter­nehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Ausfallwahrscheinlichkeit in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik. Zudem wird jeden Monat zu besonders aktuellen Fragen berichtet. In diesem Monat haben wir den Unter­nehmen unter anderem die Frage gestellt, inwiefern sie Wahl­rechte zur Ergebnis­steuerung einsetzen und wie sich das Ausmaß solcher Bilanzpolitik im Zeitverlauf – auch unter dem Einfluss des Russland-Ukraine-Kriegs – entwickelt hat.

Hintergrund­informationen zum German Business Panel
Das German Business Panel ist ein langfristiges Befragungs­panel des DFG-geförderten überregionalen Projektes „Accounting for Trans­parency“ (www.accounting-for-trans­parency.de).

Der Sonderforschungs­bereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Trans­parency“ startete im Juli 2019 und wird von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre gefördert. Er ist der erste SFB mit betriebs­wirtschaft­lichem Schwerpunkt. Am SFB sind rund 100 Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler von neun Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forscherinnen und Forscher von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der ESMT Berlin, Frankfurt School of Finance & Management, Goethe-Universität Frankfurt am Main, WHU – Otto Beisheim School of Management, und Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Die Forscherinnen und Forscher unter­suchen, wie Rechnungs­wesen und Besteuerung die Trans­parenz von Unter­nehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unter­nehmens­trans­parenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 12 Millionen Euro.

Kontakt:

Prof. Dr. Jannis Bischof
Lehr­stuhl für ABWL und Unter­nehmens­rechnung
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1630
E-Mail: jbischofmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de