Pressemitteilung vom 5. Mai 2023
Ziel des EU-Berichts ist es, Handlungsempfehlungen zu entwerfen, wie einzelne Nationalstaaten die Folgen der Pandemie auf die Wissenschaft besser ausgleichen können und wie man bestehende europäische Forschungsprogramme wie Horizon Europe oder ERC-Förderungen anpassen kann. Die Arbeitsgruppe um Juniorprofessor Dr. Marc Lerchenmüller befasste sich schwerpunktmäßig mit Frauen in der frühen Karrierestufe. Der an der Universität Mannheim tätige Ökonom ist der einzige in Deutschland angesiedelte Autor des Policy Reports.
Eine zentrale Empfehlung seiner Arbeitsgruppe ist es, langfristige Datenerhebungen in den einzelnen EU-Staaten durchzuführen, um die Situation der jungen Wissenschaftlerinnen nach der Pandemie zu erfassen – ein sogenanntes Monitoring. Erst auf Basis solcher Daten sei es möglich, ihre Lage besser einzuschätzen und funktionierende Förderprogramme ins Leben zu rufen. „Die Konsequenzen aus zwei Jahren Pandemie sind nicht nach den zwei Jahren aus der Welt“, begründet Lerchenmüller.
Bestehende Förderprogramme, die im Zuge der Pandemie für Nachwuchsforschende entstanden sind, sollten zudem überarbeitet werden. „Gleichbehandlung bedeutet nicht Chancengerechtigkeit“, stellt der Mannheimer Ökonom fest. Junge Wissenschaftlerinnen mit kleinen Kindern hätten schließlich die meiste Arbeitszeit während der Pandemie eingebüßt – das zeigen die bisherigen Daten deutlich. „Wenn man diese Unterschiede mit geschlechtsneutralen Interventionen auszutarieren versucht, wird es ungerecht“, sagt Lerchenmüller.
Ähnlich unterschiedlich gestalten sich die Publikationsleistungen von Frauen und Männern. Vor Corona waren beispielsweise beide Geschlechter fast gleich häufig Erstautorinnen und -autoren von Studien in Covid-relevanten Bereichen wie Immunologie oder Virologie. Dann ging die Schere auseinander: Männliche Wissenschaftler publizierten weitaus häufiger als ihre weiblichen Kolleginnen. Und weil Karriere in der Wissenschaft eng mit Publikationserfolgen verknüpft ist, kann das langfristig bedeuten, dass der Anteil der männlichen Wissenschaftler in Führungspositionen an Universitäten und Forschungsinstituten steigt. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe lautet daher, die Erfolgsbilanz von jungen Forschenden mit Kindern anders zu bewerten als Gruppen, die unter Corona weniger gelitten haben – wie zum Beispiel alleinstehende Frauen oder Männer ohne Kinder oder pflegebedürftige Angehörigen.
Jenseits der Konsequenzen für individuelle Karrieren, stellen diese Daten auch in Frage, ob die Gesellschaft die beste Antwort auf die Pandemie hat geben können, wenn Wissenschaftlerinnen strukturell bedingt weniger beitragen konnten und Gehör fanden als man hätte erwarten dürfen.
Zur Person
Marc Lerchenmüller wurde aufgrund seiner Forschung zu Wissenschaftspolitik und zum Einfluss des Geschlechtes auf die wissenschaftliche Laufbahn von der EU-Kommissarin Mariya Gabriel in die Expertenkommission berufen. Als Juniorprofessor hat er seit 2019 den Lehrstuhl für Technologische Innovation und Management an der Universität Mannheim inne. Seine Studie zur abfallenden Publikationsleistung von Forscherinnen während der Corona-Pandemie, die in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universitäten Harvard, Heidelberg und Mannheim im British Medical JournalOpen veröffentlicht wurde, ist hier erhältlich.
Der Policy Report „The Covid-19 Impact on Gender Equality in Research & Innovation” ist hier erhältlich.
Kontakt:
Prof. Dr. Marc Lerchenmüller
Juniorprofessur für Technologische Innovation & Management
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1604
E-Mail: marc.lerchenmüller uni-mannheim.de
Yvonne Kaul
Forschungskommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1266
E-Mail: kaul uni-mannheim.de