Pressemitteilung vom 19. Januar 2024
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Im Januar 2023 ist die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in Kraft getreten, seit diesem Jahr gilt sie in Deutschland. Diese legt Unternehmen Vorgaben zur Berichterstattung über Klima- und Umweltschutz sowie soziale Gerechtigkeit und Unternehmensführung (auf Englisch: Environmental, Social, Governance (ESG)) auf. Mit der Änderung sollen die Nachhaltigkeitsinformationen eines Unternehmens den gleichen Stellenwert wie die Finanzinformationen erhalten. Dass viele Unternehmen die Spielräume in der Finanzberichterstattung zur Bilanzpolitik ausnutzen, ist bekannt. Der Januar-Bericht des GBP gibt Aufschluss darüber, ob sich ein hohes unternehmerisches Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch auf die Bilanzpolitik niederschlägt: Sind nachhaltige Unternehmen ehrlicher?
Die Ergebnisse der GBP-Umfrage legen nahe, dass dies nicht der Fall ist. Unternehmen mit ESG-Fokus betreiben genauso häufig Bilanzpolitik wie Unternehmen ohne eine solche Ausrichtung (27,7 Prozent respektive 25,5 Prozent). Konkret nutzen sie die Ermessensspielräume, um den Gewinn für steuerliche Zwecke zu mindern oder für Zwecke der Kommunikation mit Unternehmenspartner*innen zu erhöhen. „ESG-Vorgaben wirken sich auf die langfristige wirtschaftliche Performance und somit auch auf das Bilanzbild aus. Dass die Unternehmen ihre Ergebnisse im Rahmen des Erlaubten in einem besseren Licht erscheinen lassen, ist daher nicht verwunderlich“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Jannis Bischof.
Unternehmerisches Engagement für Nachhaltigkeit geht also nicht zwangsläufig mit einer ehrlicheren Berichterstattung einher. Im Gegenteil: Wenn ESG-Orientierung nur durch Marktdruck von Banken und Lieferant*innen erzwungen wird und nicht integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist, greifen Unternehmen sogar überdurchschnittlich oft zu Bilanzpolitik. 43,6 Prozent der Unternehmen, die ESG-Maßnahmen aufgrund von externen Marktdruck umsetzen, nutzen bilanziellen Ermessensspielraum opportunistisch. Unter den Unternehmen, die ESG als Teil ihrer Unternehmenswerte ansehen, liegt dieser Anteil nur bei 25,2 Prozent.
„Auch die nicht-finanziellen Kennzahlen, beispielsweise zum CO2-Ausstoß oder zu sozialen Maßnahmen, sind keinesfalls alle objektiv nachprüfbar und auch sie unterliegen Wertungen und Schätzungen des Managements. Angesichts dieses hohen Anteils an nachhaltigen Unternehmen, die aktiv Bilanzpolitik betreiben, liegt es nahe, deren nun veröffentlichte ESG-Kennzahlen ebenfalls mit Vorsicht zu interpretieren und auf Verzerrungen zu prüfen“, so Bischof.
Auch in Hinblick auf die Größe der Unternehmen variiert die Neigung: Mit 36 Prozent ist der Anteil der mittleren und großen Unternehmen unter denen, die Bilanzpolitik betreiben, am höchsten. Nach Branchen betrachtet fällt auf, dass im Baugewerbe die Bereitschaft zu Bilanzpolitik bei überdurchschnittlichen 34,6 Prozent liegt.
Der Bericht zeigt zudem, dass die betriebswirtschaftlichen Indikatoren zu Jahresende entgegen den Prognosen erheblich gesunken sind. Im Mittel gehen die Unternehmer*innen aktuell davon aus, dass ihre Gewinne im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,6 Prozent sinken werden.
Den „GBP-Monitor: Unternehmenstrends im Januar 2024“ finden Sie hier:
https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2024/01/gbp_monitor_2024_01.pdf
Weitere Informationen zum GBP-Monitor
Das German Business Panel befragt monatlich mehr als 800 Unternehmen zur Unternehmenslage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitionsänderungen, 2) unternehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Schließungsrate in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik. Zudem wird jeden Monat zu besonders aktuellen Fragen berichtet.
Hintergrundinformationen zum German Business Panel
Das German Business Panel ist ein langfristiges Befragungspanel des DFG-geförderten überregionalen Projektes „Accounting for Transparency“ (www.accounting-for-transparency.de). Der Sonderforschungsbereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019. Im Mai 2023 beschloss die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), den SFB um zunächst weitere vier Jahre zu verlängern. Er ist der erste SFB mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Am SFB sind über 100 Wissenschaftler*innen von neun Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forschende von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Frankfurt School of Finance & Management, der WHU – Otto Beisheim School of Management und der Universität zu Köln. Die Forschenden untersuchen, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 18 Millionen Euro.
Kontakt:
Prof. Dr. Jannis Bischof
Lehrstuhl für ABWL und Unternehmensrechnung
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1630
E-Mail: jbischof uni-mannheim.de
Yvonne Kaul
Forschungskommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1266
E-Mail: kaul uni-mannheim.de