Migrant*innen in politischen oder richterlichen Ämtern stoßen auf geringe gesellschaft­liche Akzeptanz

Negative Einstellungen gegenüber Zugewanderten und ihren Nachkommen entstehen in der Mehrheits­gesellschaft häufig, weil diese zu erfolgreich integriert sind – und nicht, weil sie sich nicht integrieren wollen. Das haben Forschende der Universität Mannheim und der Humboldt-Universität zu Berlin in einer neuen Studie herausgefunden.

Pressemitteilung vom 08. März 2024
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Die Nachkommen von Zugewanderten sind in vielen westeuropäischen Ländern, dar­unter auch in Deutschland, in den vergangenen Jahrzehnten beruflich immer erfolgreicher geworden. Das belegen zahlreiche nationale und international vergleichende Studien. Dennoch haben Akzeptanz und Anerkennung auf Seiten der Mehrheits­gesellschaft damit nicht Schritt gehalten. Was sind die Gründe dafür? Dieser Frage sind der Mannheimer Soziologe Prof. Dr. Frank Kalter und Prof. Dr. Naika Foroutan von der Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam nachgegangen. Das Ergebnis ihrer experimentellen Studie: Eine mögliche Erklärung für die Ablehnung von erfolgreichen Migrant*innen könnte die Angst von Teilen der Mehrheitsbevölkerung sein, dass diese einflussreiche normsetzende Positionen bekleiden. Das gilt beispielsweise für diejenigen Aufsteiger*innen, die in der Lokalpolitik oder in der Rechts­prechung arbeiten.

„Wir verzeichnen große Integrations­erfolge. Auf dem Arbeits­markt oder im Bildungs­sektor beispielsweise gelingt die Integration unter dem Strich gut und gemessen an den oft schwierigen Startbedingungen auch vergleichsweise schnell“, erklärt Kalter. „Dennoch wird dies in der Breite nicht so wahrgenommen – im Gegenteil. In der allgemeinen Stimmung wird zunehmend der Mythos geschürt, die Integration sei gescheitert, was völlig an den Fakten vorbeigeht. Diese Diskrepanz hat uns dazu bewogen, die Mechanismen dahinter genauer zu unter­suchen“, so Kalter weiter.

In ihrer Analyse betrachten die Forschenden zwölf verschiedene Berufs­gruppen und sieben Gruppen von Zugewanderten. Dabei unter­scheiden sie zwischen realer und symbolischer Bedrohung. Reale Bedrohung bedeutet, dass in den Augen der Mehrheits­gesellschaft die Versorgung mit materiellen Bedürfnissen wie Nahrung oder Unter­kunft durch den Aufstieg von Minderheiten­gruppen gefährdet wird. Symbolische Bedrohung bezieht sich auf kulturelle Werte und Normen einer Gesellschaft, wie zum Beispiel allgemeine Verhaltensregeln, die durch die Zugewanderten angeblich unter­wandert würden – so die Sorge.

Das Ergebnis der Unter­suchung: Vor allem türkischstämmige Muslim*innen und syrische Fluchtmigrant*innen stoßen in Deutschland auf größere gesellschaft­liche Ablehnung – unabhängig davon, wie erfolgreich sie sind. Hinzu kommt, dass symbolische Bedrohung in Deutschland eine größere Rolle spielt als reale. Das heißt, wenn zugewanderte Minderheiten in Berufe eintreten, die die gesellschaft­lichen Normen und Regeln der Mainstream-Gesellschaft prägen, kann das als bedrohlich empfunden werden – selbst wenn die eigene materielle Situation dadurch nicht direkt gefährdet ist. Die Studie belegt zudem, dass die symbolische Bedrohung besonders dann zunimmt, wenn Muslim*innen in diese Art von Berufen aufsteigen.

Die Studie, die auf Daten des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrations­forschung (DeZIM) beruht, ist kürzlich in einem Sonderheft einer etablierten internationalen Fach­zeitschrift erschienen: Kalter, F., Foroutan, N. (2024). Outgroup mobility threat – how much intergenerational integration is wanted? Journal of Ethnic and Migration Studies: doi.org/10.1080/1369183X.2023.2263830

Kontakt:
Prof. Dr. Frank Kalter
Lehr­stuhl für Allgemeine Soziologie
Universität Mannheim
E-Mail: frank.kaltermail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1266
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de