Biomedizinische KI-Forschung: Die meisten Publikationen kommen aus Asien – aber in punkto Qualität überzeugen andere Regionen mehr

Künstliche Intelligenz verändert die Medizin, doch die Fortschritte in der biomedizinischen KI-Forschung sind global ungleich verteilt, zeigt eine neue Studie. Diese Ungleichheit könnte den gerechten Zugang zu Gesundheit in bestimmten Regionen der Welt behindern.

Pressemitteilung vom 13. September 2024
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Während bei der Gesamtzahl der Publikationen in der biomedizinischen KI-Forschung Asien führt, gehen 70 Prozent der hochqualitativen Publikationen auf das Konto nordamerikanischer und europäischer Forschender. Als hochqualitativ gelten Manuskripte, die in renommierten biomedizinischen Fach­zeitschriften erscheinen und besonders häufig zitiert werden. Zu diesen Ergebnissen kommen die Ökonomen Prof. Dr. Marc Lerchenmüller und Dr. Leo Schmallenbach von der Universität Mannheim in ihrer neuesten Studie. Diese wurde in der renommierten Fach­zeitschrift Nature Communications diese Woche veröffentlicht. Co-Autor der Studie ist Prof. Dr. Dr. Till Bärnighausen von der Universität Heidelberg.

Für ihre Studie unter­suchten die Forscher knapp 400.000 biomedizinische Publikationen aus den Jahren 2000 bis 2022. Ein Teil davon betrifft klinische Studien, die direkt an Patient*innen durchgeführt werden mit dem Ziel, neue Medikamente zu entwickeln. Andere fokussieren sich auf diagnostische KI-Anwendungen, die beispielsweise automatisiertes Auslesen von MRT-Bildern ermöglichen oder das Auswerten von HIV-Tests mit Hilfe eines Tablets möglich machen – was unter anderem im ländlichen Südafrika von hoher Bedeutung ist.

Ihre Analyse zeigt, dass mit 45 Prozent fast die Hälfte aller Veröffentlichungen aus den USA und aus China stammen, wobei im Jahr 2020 China die USA überholte. Der größte Anteil an hochqualitativer Forschung im unter­suchten Zeitraum stammt aus den USA, Australien und einigen europäischen Ländern. Auf Lateinamerika und Afrika entfallen hingegen weniger als zwei Prozent der Veröffentlichungen in diesen hochrangigen Publikationen.

„Künstliche Intelligenz hat das Potential, die Gesundheitsversorgung weltweit zu verändern und den Zugang zu Gesundheit zu demokratisieren“, sagt Erstautor Schmallenbach. „Unsere Daten weisen allerdings auf eine Polarisierung der KI-Forschung hin, die dazu führen könnte, dass diese Demokratisierung gar nicht oder nur sehr verzögert eintritt“, so Schmallenbach weiter.

„Wir sehen auch, dass der Anteil an Qualitätsbeiträgen aus Europa über die Zeit etwas abnimmt“, erläutert Co-Autor Lerchenmüller, Juniorprofessor für Technologische Innovation und Management-Wissenschaften. „Das zeigt, dass wir uns in einem sehr intensiven Wettbewerb befinden“.

Forschung über die Grenzen hinweg

Die Studie zeigt ferner, dass internationale Kooperationen wirkungs­vollere Forschungs­ergebnisse erzielen als national ausgerichtete Forschung und eher zu Projekten führen, die klinische Anwendungen finden oder Folge­studien beeinflussen. Auch hier zeigen sich regionale Unter­schiede: Während in Asien und in Nordamerika die Forschenden vorzugsweise mit Kolleg*innen aus dem gleichen Land zusammenarbeiten, ist Europa offener für internationale Kollaborationen und beteiligt sich aktiver daran. Afrika und Lateinamerika nehmen insgesamt nur im geringen Ausmaß an Forschungs­vorhaben in der biomedizinischen KI-Forschung teil, und könnten insbesondere von Kollaborationen, die über die Grenzen hinweg stattfinden, profitieren. In den vergangenen vier Jahren stagniert die internationale Zusammenarbeit jedoch in allen Regionen der Welt und nimmt tendenziell sogar ab.

„Gerade in diesem wichtigen und zukunftsträchtigen Bereich der Lebens­wissenschaften ist die zunehmend national ausgerichtete Forschung eine bedenkliche Entwicklung“, sagt Lerchenmüller. Die Studien­autoren sind überzeugt, dass die KI ihr Potential in der medizinischen Versorgung mit Hilfe von geographischer Integration und internationaler Zusammenarbeit besser ausschöpfen könne.

Schmallenbach, L., Bärnighausen, T., Lerchenmüller M.J. (2024). The global geography of Artificial Intelligence in life science research. Nature Communications: www.nature.com/articles/s41467-024-51714-x

Ein Kurzvideo von Research Square auf YouTube zu dieser Veröffentlichung finden Sie hier (in englischer Sprache).

Kontakt:
Dr. Leo Schmallenbach
Habilitand am Lehr­stuhl für Organisation und Innovation
Universität Mannheim
Tel. +49-621-181-1600
E-Mail: schmallenbachmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1266
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de