Der Testlauf war ein voller Erfolg: 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich für die neue Ringvorlesung „Value-Based Management“ an der Mannheim Business School (MBS) angemeldet, um in dem sechswöchigen Kurs von Mannheimer Professorinnen und Professoren zu lernen, was wertorientierte Unternehmensführung ausmacht. Am ersten Vorlesungstag bleiben die Hörsäle allerdings leer. Die Teilnehmer sitzen stattdessen zu Hause am Schreibtisch, auf der Couch oder im Café – und das ist auch so gewollt.
„Value-Based Management“ ist ein Massive Open Online Course (MOOC) – der erste, der von der MBS produziert und durchgeführt wurde. Die kostenlosen Online-Kurse sind vor allem für Berufstätige und Studierende aus dem Ausland attraktiv, denn die Teilnehmer lernen die Inhalte über Vorlesungsvideos, vertiefen sie in Diskussionsforen und werden über Online-Tests geprüft. Beim Lernen sind sie also vollkommen unabhängig von Ort und Zeit. „In der Produktion sind MOOCs allerdings aufwendiger als Präsenzveranstaltungen, da man sie völlig neu denken muss“, erklärt Prof. Dr. Dirk Ifenthaler, der den MOOC der MBS wissenschaftlich begleitet. „Es reicht nicht, Vorlesungen einfach per Video aufzuzeichnen und online zu stellen. Die Videos und Lernmaterialien sollten speziell für den Kurs entwickelt werden.“
Dirk Ifenthaler forscht zu Digital Learning. Während seiner Zeit als Adjunct Professor an der Deakin University in Melbourne entwickelte er das Lern-Design für den ersten australischen MOOC. Auf Basis dieser Erfahrungen und neuesten Forschungserkenntnissen hat er auch den MOOC der MBS konzipiert. „Es hat sich gezeigt, dass Videos unter sechs Minuten mit Texteinblendungen oder interaktiven Elementen für die Lernmotivation am besten sind, das haben wir in unserem Kurs natürlich berücksichtigt“, so Ifenthaler. Zudem arbeite das Team gerade daran, die Lernfortschritte der Teilnehmer in Echtzeit zu erfassen und ihnen intelligentes Feedback zu geben. „Wir haben sehr heterogene Zielgruppen. Es ist wichtig für den Lernerfolg, sich individuell an deren Lern- und Motivationsbedürfnisse anzupassen“, erklärt der Wissenschaftler. Die minutiöse Planung hat sich gelohnt: „Während bei MOOCs normalerweise 10 Prozent aller Teilnehmer ein Zertifikat erwerben, war die Quote im MBS-Kurs mit 20 Prozent doppelt so hoch“, so Dr. Florian Heger, Leiter der Abteilung IT und Learning an der MBS. Auch dass die Vorlesung auf Anhieb so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer angezogen hat, freut das Team. „Wir haben kaum Werbung für die Veranstaltung gemacht“, sagt Heger. „Es war ein Testlauf, mit dem wir schauen wollten, ob es überhaupt einen Markt für ein solches Angebot gibt.“ Den gibt es offenbar: Weitere Kurse seien deshalb schon in Planung.
Derzeit sind MOOCs zur reinen Weiterbildung gedacht. In Zukunft sei aber denkbar, dass Mannheimer Studierende damit auch ECTS-Punkte erwerben können. „Besonders Grundlagenkurse und Propädeutika lassen sich mit hochwertigen MOOCs sehr gut ersetzen“, sagt Ifenthaler. An einigen amerikanischen Universitäten sind sie daher schon fester Bestandteil des Lehrplans. Vollkommen ausgedient hätten Präsenzveranstaltungen aber nicht. „Für Seminare und Kleingruppenkurse, bei denen die Diskussion und Reflexion im Vordergrund stehen, sind Präsenzveranstaltungen nach wie vor besser geeignet“, so Ifenthaler. „Durch MOOCs könnten Lehrende genau dafür mehr Zeit gewinnen.“
mbsx.education/courses
ifenthaler.bwl.uni-mannheim.de/de/learning_design_and_technology/
Text: Linda Schädler / April 2018