Wenn man nach einem und nur einem Schlüsselwort sucht, das die spezifische Aura und den Charme der Studienstiftung charakterisieren soll, so muss man nicht lange suchen. Es hat einen Klang, der schon junge Schüler verzaubert (Ferien), es bemüht ein gut etabliertes Fremdwort aus ältesten Bildungskontexten (Akademie), es kombiniert also zwei Substantive aus verschiedenen Sphären zum Kompositum und lautet: ‚Ferien-Akademie‘. Wer beim Erklingen dieses Wortes leuchtende Augen bekommt, offenbart sich als jemand, der in das profane Geheimnis der Studienstiftung initiiert ist. Das dahinterstehende Konzept hat sich, seit ich 1971 das Glück hatte, erstmals an einer solchen Ferien-Akademie im Dolomiten-Ort Völs am Schlern teilzunehmen, nicht verändert.
Denn da gibt es nichts zu optimieren. Junge Studierende, genauer: ca. 150 junge Stipendiatinnen und Stipendiaten kamen und kommen bis heute für vierzehn Sommertage an reizvollen Orten zusammen, um werktäglich von 9 bis 12:30 Uhr in ihren Arbeitsgruppen mit zwei oder drei Dozentinnen und Dozenten zu ergründen, was die Welt bzw. bestimmte Welt-Ausschnitte im Innersten zusammenhält. Nachmittags, abends und an den beiden Wochenenden blieb viel Zeit, um weiter zu diskutieren, zu wandern, zu schwimmen, zu musizieren, zu tanzen, sich zu verlieben oder Freundschaften fürs Leben zu schließen.
Ein so simples wie brillantes Konzept. Hier legt ein dankbarer Überzeugungstäter Zeugnis ab. Das ist schon daraus ersichtlich ist, dass ich als Student gleich viermal an solchen Ferien-Akademien teilgenommen habe – und dann mit zunehmender Nostalgie noch siebenmal als (Vertrauens-)Dozent. Keiner dieser elf mal vierzehn Ferien-Akademietage war eine Enttäuschung. Der Grund liegt auf der Hand. Eine so verdichtete und zugleich gelassene Lust an der Auseinandersetzung mit neuen Gesichtern, Theorien, Methoden, Kenntnissen und Ansichten konnte und kann in der Epoche der Module und ECTS-Punkte erst recht kein Uni-Alltag bieten.
Alles, was normalerweise beim Erklingen des Wortes ‚Studienstiftung‘ assoziiert wird – von den überangepassten Strebern über neurotische Pseudo-Hochbegabte bis zur hohen Quote von Studienstiftlern bei der RAF – all das verblasst im Vergleich zur Strahlkraft des Konzepts Ferien-Akademie, das jeden Sommer mit neuem Leben erfüllt wird. Es ist nachhaltig in jedem Wortsinne. Heute sind ‚Netzwerk‘ und ‚netzwerken‘ positiv besetzte Worte, in den 70-er und 80-er Jahren sprach man – zu Recht abwertend – von ‚Seilschaften‘. Was nichts daran änderte, dass zahlreiche bei Ferien-Akademien gestiftete Freundschaften das Leben und die Karrieren so gut wie aller Studienstiftlerinnen und Studienstiftler entschieden geprägt haben. Dennoch oder eben deshalb dürfen sie davon überzeugt sein, dass die Studienstiftung, um mit dem französischen Philosophen Jacques Derrida zu sprechen, der Leitidee einer „unbedingten Universität“ verpflichtet ist.