Jedes Jahr ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber auf einen Studienplatz im Fach Psychologie weitaus höher als die Anzahl an Studienplätzen: An der Universität Mannheim bewarben sich für das vergangene Herbstsemester 2.300 Kandidatinnen und Kandidaten auf 110 Plätze. Entsprechend hoch ist der Numerus Clausus für Psychologie. Bisher hatte das zur Folge, dass Interessierte mit weniger guten Abiturnoten fast keine Chance hatten. In Mannheim lag die Durchschnittsnote der eingeschriebenen Erstsemester bei 1,5.
Eine Auswahl nur anhand der Abiturnote? Verfassungswidrig, entschied das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2017 für Studiengänge in der Medizin und forderte, dass künftig weitere Auswahlkriterien eingesetzt werden müssen, die unabhängig von der Abiturnote den Studienerfolg vorhersagen. Das Urteil hat zur Folge, dass die Grundlagen der Studierendenauswahl neu geregelt werden müssen – nicht nur für die Medizin, sondern für viele weitere zulassungsbeschränkte Studiengänge. In Baden-Württemberg rief das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst daraufhin ein Verbundprojekt ins Leben, in dem für verschiedene Studiengänge neue Auswahlverfahren entwickelt werden.
Für den Bachelorstudiengang Psychologie ist daraus ein Studierendenauswahlverfahren entstanden, das ab kommendem Jahr an den beteiligten Universitäten in Baden-Württemberg eingesetzt wird. „Für unser Fach ist das eine kleine Revolution bei der Studienplatzvergabe“, erläutert Oliver Dickhäuser, Professor für Pädagogische Psychologie, der an der Universität Mannheim das Projekt leitet.
Das Verfahren setzt sich aus dem in Mannheim und Freiburg entwickelten Online Self-Assessment sowie dem fachspezifischen Studieneignungstest zusammen. Die Teilnahme am Self-Assessment ist in Baden-Württemberg verpflichtend, wenn man sich auf einen Studienplatz bewerben möchte. „Damit können Interessierte schon in der Entscheidungsphase prüfen, ob das Studium den eigenen Erwartungen und Interessen entspricht“, erklärt Birgit Spinath, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und Hauptkoordinatorin des Verbundprojektes für den Studiengang Psychologie. Oliver Dickhäuser ergänzt: „Das Online Self- Assessment ist eine unkompliziert nutzbare erste Informationsquelle zur Prüfung des eigenen Studienwunsches. Es enthält auch beispielhaft Testaufgaben, deren Bearbeitung sehr gut auf die Inhalte des Studieneignungstests vorbereiten.“
Dieser besteht aus fünf Bereichen. Dazu gehören: schlussfolgerndes Denken, Mathematik, Biologie, Englisch und Psychologieverständnis. „Der Eignungstest führt zu mehr Gerechtigkeit in der Studierendenauswahl, da alle eine zweite Chance bekommen – was insbesondere denjenigen zugutekommt, die allein über ihre Abiturnote keine Aussicht auf einen Studienplatz hätten“, erklärt Spinath. Eine Anmeldung ist für beide Tests nötig und muss jeweils bis Februar des jeweiligen Jahres erfolgen.
Text: Yvonne Kaul / September 2020