Mit sozialen Medien gesund durch die Krise

Mit der Einführung der Corona-Maßnahmen bewegten sich die Menschen weniger, gleichzeitig verbrachten sie mehr Zeit am Bildschirm. Die Gesundheitspsychologin Prof. Dr. Jutta Mata von der Universität Mannheim beschäftigt sich seit langem mit den Themen Ernährung und Bewegung in deutschen Familien. Wie man trotz Homeoffice gesund durch die Krise kommen kann und welche Rolle dabei die sozialen Medien spielen, erklärt sie im Interview.

FORUM: Was bedeutet es für unsere Gesundheit, wenn wir durch Homeschooling und Homeoffice so viel Zeit zu Hause verbringen?

Mata: Die Mannheimer Corona-Studie deutet darauf hin, dass die große Mehrheit der Befragten weniger Sport trieb und mehr Zeit am Bildschirm verbrachte als vor Beginn der Maßnahmen. Und auch aus früheren Studien zu den Aus­wirkungen einer Quarantäne wissen wir, dass Menschen vermehrt mit Stresssymptomen, Ärger, Langeweile, Frustration und einem Gefühl der Isolation reagieren können. Studien bei Kindern und Jugendlichen geben zudem Hinweise darauf, dass auch weniger Bewegung, eine unausgewogene Ernährung, mehr Bildschirmzeit und weniger Schlaf eine Folge von Quarantäne sein könnten.

FORUM: Wie schafft man es, gesund durch eine Zeit zu kommen, von der man nicht weiß, wie lange sie andauern wird?

Mata: Die Frage ist, wie man erreicht, sich trotz allem viel zu bewegen, auf eine gesunde Ernährung und regelmäßige Schlafenszeiten zu achten. Am längsten hält man durch, wenn ein Verhalten Spaß macht oder einem persönlich wichtig ist. Beispielsweise kann ich Zeit, die ich mit meinen Kindern verbringen möchte, bewusst aktiver gestalten. Hilfreich sind zudem feste Strukturen und Pläne. Ein wichtiger Faktor eines gesunden Verhaltens ist auch das soziale Umfeld: Wir richten unsere Ernährungs­weise häufig an anderen aus. Ähnlich ist dies beim Sport, weshalb gute Trainerinnen und Trainer darauf achten, dass sich zum Beispiel in einer Mannschaft alle gut verstehen. Das diese sozialen Komponenten in der Corona-Krise fehlen, ist eine große Chance für soziale Medien.

FORUM: Können uns soziale Medien tatsächlich dabei unterstützen, gesünder zu essen und mehr Sport zu treiben?

Mata: Aktuell untersuchen wir in einer Studie, wie Online-Communities eine gesündere Ernährung und mehr körperliche Bewegung beeinflussen können. Aus unserer Forschung wissen wir, dass nicht nur der Kontakt zu anderen Menschen, sondern oft schon der Austausch über Sport oder Ernährung eine unterstützende und fördernde Rolle spielen.

FORUM: Gerade durch soziale Medien fühlen sich viele verunsichert, weil sie andauernd Bilder von perfekten Menschen sehen.

Mata: Soziale Netzwerke spielen tatsächlich eine ambivalente Rolle und die Atmosphäre in den sozialen Foren ist manchmal wenig konstruktiv. Studien zeigen aber, dass das Liken und Betrachten von Bildern von Obst- und Gemüsemahlzeiten dazu führt, dass man selbst mehr davon isst. Solche Bilder inspirieren manche, eigene gesunde Gerichte zu kreieren. Und diejenigen, die Bilder ihrer gesunden Mahlzeiten posten, fühlen sich von ihrer Community stärker unterstützt. Der Austausch in Online-Foren spielt also eine zentrale Rolle und diesen Faktor wollen wir jetzt stärker unter die Lupe nehmen.

FORUM: Noch ein Blick auf das Familienleben: Homeoffice war lange keine Option, sondern eine Vorgabe. Wie können insbesondere Familien diese Situation gemeinsam meistern?

Mata: Bei Vorgaben überwiegt oft das Gefühl von Kontrollverlust. Aus psychologischer Sicht würde ich den Eltern raten, zu überlegen, was für sie positiv am Homeoffice ist. Das könnte zum Beispiel sein, dass sie sich und ihre Familie besser vor Ansteckung schützen oder dass sie keine Anfahrtswege mehr haben. Gleichzeitig – und gerade mit kleineren Kindern – ist Homeoffice natürlich eine riesige Herausforderung. Ein Kollege sagte, es sei „wie Zähneputzen mit Nutella“. Das trifft es ganz gut, denn Kinder aufmerksam betreuen und konzentriert arbeiten, ist so unvereinbar wie Schokocreme mit Zahngesundheit.

Weitere Informationen zur Studie „Gesundheits-Challenge: Gemeinsam mehr erreichen“
Die Universität Mannheim untersucht gerade in einer wissenschaft­lichen Studie, wie Online-Communities Menschen dabei unterstützen können, sich gesünder zu ernähren und mehr zu bewegen – insbesondere in einer Zeit wie jetzt, wenn man sich persönlich weniger begegnen kann.

Infos zur Teilnahme unter: http://www.uni-mannheim.de/studie

Interview: Yvonne Kaul / September 2020