„Ein Netzwerk im besten Sinne“

Ein Alumni­netzwerk in Deutschland – Mitte der Neunziger war die Idee des Marketingprofessors Dr. Hans Raffée völliges Neuland. An der Universität Mannheim war jedoch jedem klar: Nur der Meister des Personal Selling höchstpersönlich kann so etwas erfolgreich aufbauen. Wie aus zarten Anfängen Deutschlands älteste und größte Alumni­organisation entstanden ist – darüber sprach FORUM mit ihrem Gründer und Ehrenpräsidenten Hans Raffée sowie Dr. Marcel Crisand, einem ABSOLVENTUM-Mitglied der ersten Stunde.

Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss: Prof. Dr. Hans Raffée, der Generationen von Studierenden an der Universität Mannheim geprägt hatte, war nicht Mal ein Jahr lang emeritiert, da gründete er 1995 das, was spater zu seinem eigentlichen Lebens­werk werden sollte. Es ist die Geburtsstunde von ABSOLVENTUM. Universitäts­weite Alumnivereinigungen kannte man sonst nur aus den USA, nun sollte es die erste in Deutschland geben – ein gewagtes Unterfangen.

Die Vorbereitungen dafür hatte Raffée, der enge Freundschaften zu Persönlichkeiten in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft pflegte, im Prinzip schon sein ganzes Leben lang getroffen. „,Leben ist Begegnung` – dieser Satz des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber hat sich in meiner Biografie stets bewährt. Der Kontakt und Austausch mit Menschen unterschiedlichster Talente und Interessen hat mich immer weitergebracht“, sagt der 91-Jährige. Und das sollten auch seine BWL-Studierenden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen: Während seiner aktiven Zeit als Professor erm­unterte er sie, sich mit Kunst, Musik und Philosophie zu beschäftigen, ging mit ihnen ins Theater und in die Oper – fernab von Hörsälen und dem sturen Lernen auf die nächsten Klausuren. Auch das Religiöse kam bei Raffée nicht zu kurz: Mit seinen Marketing-Seminaristen fuhr er jedes Jahr in der Adventszeit ins Kloster Maria Laach – eine Exkursion der besonderen Art.

„Für uns Mitarbeiter und die Studierenden war das ein Highlight, in das Klosterleben der Mönche einzutauchen und in dieser den meisten völlig unbekannten Welt mehrere Tage über ein Seminarthema oder auch religiöse und ethische Fragen zu diskutieren“, sagt Dr. Marcel Crisand, der bei Raffée studiert und promoviert hat. Seit 2009 ist der 55-jährige BWL-Professor an der SRH Hochschule Heidelberg und geht sogar selbst mit seinen Studierenden ins Kloster. „Raffée war es wichtig, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch einen Bezug zu Kunst und Kultur hatten. So hörte er mit uns das Weihnachtsoratorium, ging mit uns auf die documenta. ,Nicht Enge, sondern Weite‘ war einer seiner Lieblingssätze.“

Diesen Geist übertrug Raffée auch von Beginn an auf ABSOLVENTUM. Von gemeinsamen Weinproben, über Adventskonzerte und Theaterreihen – von Jahr zu Jahr wuchs das Angebot. „Die vielen kulturellen Veranstaltungen, die wir unseren Mitgliedern boten, sind sicherlich ein Grund, warum wir so schnell gewachsen sind“, ist sich der Emeritus sicher. Im ersten Jahr hatte ABSOLVENTUM bereits über 600 Mitglieder, die meisten von ihnen ehemalige Raffée-Schüler, die dem neuen Verein die Mitgliedsverträge förmlich aus den Händen rissen. „Für uns war damals völlig klar, dass wir da mitziehen“, sagt auch Marcel Crisand mit der Mitgliedsnummer 52. Es sollte einige Zeit dauern, bis sich auch Alumni der anderen Fächer ABSOLVENTUM anschlossen, das in dem gut durchdachten Grundkonzept schon immer fakultäts­übergreifend angedacht war. „Wir starteten auf kleiner Flamme, doch schnell sprach sich auch in den anderen Disziplinen herum, wie interessant die Sache ist“, sagt Raffée, der ABSOLVENTUM 11 Jahre als Präsident vorstand.

1999 dann der erste Alumnitag im Mannheimer Barockschloss. Als Festredner gewann Raffée keinen geringeren als den ehemaligen Bundes­kanzler Helmut Kohl – so etwas konnte eben nur Raffée. Mehrere Tausend Alumni trafen sich an ihrer gemeinsamen Alma Mater, sahen ihre ehemaligen Professoren und Kommilitonen wieder. Auch Marcel Crisand schätzt vor allem das an ABSOLVENTUM: Ex-Kommilitonen über den Verein wiederzusehen, empfindet er auch nach 25 Jahren noch als Bereicherung. „ABSOLVENTUM ist wirklich ein Netzwerk im besten Sinne. Hier geht es nicht darum, Vitamin B für die große Karriere zu nutzen“, erklärt er. Auch das sei Hans Raffée geschuldet. „Netzwerke hat er immer als einen breiten Freundeskreis verstanden. Er sah den Zusammenhalt zwischen den Alumni als seinen Auftrag und hat ABSOLVENTUM so vom ersten Tag mit hohem Engagement und Herzblut betrieben. Ein Netzwerk erschaffen zu haben, welches sich über den gesamten Globus erstreckt, ist beeindruckend.“

Und auch die ehemalige Marketingkoryphäe ist ein wenig stolz. Vor allem, weil ABSOLVENTUM nichts vom Geist der Anfangsjahre eingebüßt habe. In Verbindung bleiben, gemeinsam Überfach­liches erleben und im besten Fall sich gegenseitig unterstützen – all das findet Ehrenpräsident Hans Raffée auch nach 25 Jahren in seinem Lebens­werk wieder.

Text: Nadine Diehl / September 2020