Ein gelebtes Netzwerk

2018 hat Dr. Peter Merten sein Amt als ABSOLVENTUM-Präsident angetreten – ein Mann mit einer beispiellosen Karriere in den Chefetagen von Weltfirmen wie Daimler oder Rheinmetall Automotive und in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen. Damals kam er mit einer Vision, die schon jetzt in großen Teilen Wirklichkeit geworden ist. FORUM sprach mit ihm und ABSOLVENTUM-Geschäftsführer Christian Haas über das erfolgreiche Jahr 2019, die Notwendigkeit gelebter Netzwerke und die Zukunft Deutschlands größter Alumnivereinigung.

FORUM: Familie, Freunde, Kommilitonen, Kolleginnen und Kollegen – jeder von uns hat seinen ganz persönlichen Kreis, mit lokalem oder gar internationalem Radius. Inwiefern unterscheidet sich ABSOLVENTUM von solchen Netzwerken?

Merten: Die meisten Netzwerke gehen mit bestimmten Lebens­phasen einher – Schule, Studium und Berufsleben. Wir denken ABSOLVENTUM hingegen als lebens­phasen­übergreifendes Netzwerk: Wir wollen seine Mitglieder im Studium abholen und noch über die Pensionierung hinaus begleiten. Dazu müssen wir jedoch einen Mehrwert bieten und der liegt bei uns zuallererst in der Heterogenität – was das Alter anbelangt, aber auch die Disziplinen. Hinzu kommen die vielen Angebote, bei denen unsere Mitglieder nicht nur in Kontakt mit anderen Alumni kommen, sondern sich auch persönlich weiterentwickeln können.

FORUM: Das Mentoring-Programm ist solch ein Angebot. Damit unterstützt ABSOLVENTUM Studierende dabei, ihren Berufsweg zu planen. Ist ABSOLVENTUM dann nicht doch auch ein Karriere­netzwerk?

Merten: Karriere ist kein Selbstzweck, sondern ein Weg zum Lebens­glück. Wir wollen unseren jungen Mitgliedern dabei behilflich sein, einen Job zu finden, der sie begeistert, für den sie brennen. Es geht nicht darum, aus allen Studierenden DAX-Vorstände zu machen, sondern sie dabei zu unterstützen, ihren ganz eigenen Weg zu finden, der sie zufrieden macht – und der  führt nicht zwangs­läufig in Spitzenpositionen.

Haas: Auch die Anzahl und Verweildauer unserer Mitglieder zeigt, dass es bei ABSOLVENTUM nicht in erster Linie um die Karriere, sondern um den Austausch geht. Aus glücklichen Studierenden werden glückliche Absolventinnen und Absolventen und die verinnerlichen ganz deutlich den Alumnigedanken des Zurückgebens. Viele unserer ehemaligen Mentees sind heute selbst Mentoren.

FORUM: Viele Netzwerke funktionieren heute weitestgehend digital – man nehme nur Xing oder LinkedIn. Inwiefern stößt ABSOLVENTUM als „lebendes“ Netzwerk da auch in eine Lücke?

Haas: Bei der Gründung von ABSOLVENTUM vor 25 Jahren war die Beschäftigung mit Netzwerken völlig neu, Xing wurde erst acht Jahre später gegründet. Selbstverständlich nutzen auch wir seitdem soziale Netzwerke als Add-on und haben unseren eigenen interaktiven Mitglieder­bereich. Die sozialen Netzwerke waren in ihrer Grundstruktur jedoch immer eher passiv und sind es bis heute geblieben. Unsere Mitglieder schätzen den „Offline-Charakter“ von ABSOLVENTUM deshalb sehr. Das gewachsene und gelebte Netzwerk werden digitale Communities nie ablösen können.

FORUM: Und über die vergangenen zwei Jahre wurde dieser Offline-Charakter sogar noch verstärkt.

Merten: Ja, indem wir zusätzlich zu Kunst und Kultur auch den Sport mit ins Netzwerk gebracht haben. Es ging mit einem Tag auf der Pferderennbahn los, dann kamen die Adler Mannheim, die Rhein-Neckar Löwen und der SV Waldhof hinzu. Gerade neuen Studierenden ermöglicht das Angebot die Integration in die Stadt und die Region, was mit einer Theater­veranstaltung nur begrenzt geht. Wenn man mal auf einem Eishockey-Spiel war und die Stimmung dort erlebt, ist man plötzlich Adler-Fan – so entsteht Bindung.

Haas: Und der Sport hat unser Alumni­netzwerk nochmal auf neue Weise belebt. Plötzlich kommen Mitglieder, die wir noch nie auf einer ABSOLVENTUM-Veranstaltung gesehen haben. Teilweise nehmen sie ihre Familien und Kinder mit, teilweise entstehen auf den Spielen Mentoring- und sogar Business­partnerschaften. Für unsere Mitglieder ist das eine große Bereicherung und der Sport ein neuer Motor für uns.

FORUM: Auch neu hinzugekommen ist das Thema Coaching – wie muss man sich das vorstellen?

Haas: Wir wissen aus dem Mentoring, dass es Mitglieder in ihren Vierzigern gibt, die beispielsweise nochmal ein Unternehmen gründen wollen, an einem Scheideweg ihrer Kariere stehen oder sich beruflich in eine völlig neue Richtung entwickeln wollen. Mit 45 hat man andere Fragen als ein Berufseinsteiger – da kommen wir mit dem Mentoring-Programm an unsere Grenzen. So ist gemeinsam mit Peter Merten die Idee fürs Coaching entstanden.

Merten: Mittlerweile haben wir 13 handverlesene Coaches, alles ABSOLVENTUM-Mitglieder. Die eine Hälfte sind Mitglieder, die wie ich über sehr viel Berufs- und Lebens­erfahrung verfügen, die anderen sind ausgebildete Profis, die teilweise DAX-Vorstände coachen und mit Psychologen kooperieren – denn manchmal gilt es, innere Barrieren zu überwinden, die viel tiefer gehen. Mit den professionellen Coaches haben wir eine Vereinbarung getroffen, dass sie uns einen Tag ihrer Zeit im Jahr schenken. ABSOLVENTUM-Mitglieder erhalten so die Möglichkeit, sich zwei Stunden pro Jahr gratis coachen zu lassen. Momentan haben wir 15 Coaching­verhältnisse – da ist bei fast 8.000 Mitgliedern aber auf alle Fälle noch Luft nach oben.

FORUM: 2019 war eines der erfolgreichsten Jahre in der Geschichte von ABSOLVENTUM – ein Rekord von 650 neuen Mitgliedern, viele neue Angebote wie Coaching und Sport. Inwiefern war es noch ein besonderes Jahr?

Haas: Wir haben unsere Sichtbarkeit auf dem Campus und damit bei den Studierenden sehr stark erhöht – beispielsweise mit Coffee Events, neuen Vortragsreihen wie „Irgendwas mit …“, bei der Studierende Fragen an Praktiker stellen können, die in Berufsfeldern wie Medien oder Marketing arbeiten. Auch die Kick-off-Veranstaltung des Mentorings haben wir neu konzipiert und damit den richtigen Nerv getroffen: Ein voller Saal und 50 neue Mitglieder an einem Abend.

FORUM: Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft – was haben Sie als nächstes vor?

Merten: Wir sind guter Dinge, dass wir mittelfristig die 10.000-Mitglieder-Marke erreichen. Mehr Mitgliedsbeiträge bedeutet auch gleichzeitig einen größeren finanz­iellen Spielraum, mit dem wir der Universität etwas zurückgeben können – zum Beispiel in Form von Stipendien oder durch die Finanzierung bestimmter Anschaffungen für Projekte wie beispielsweise dem „Experience Lab“, einem innovativen Lernraum in der Universitäts­bibliothek, für den wir Teile der Ausstattung gestiftet haben. Hinzu kommt eine stärkere Kooperation mit der Mannheim Business School, weil wir hier auch wieder einen Beitrag zur Integration der rund 70 Prozent internationalen Master­studierenden leisten können. Und generell verfolgen wir das Ziel, unser Netzwerk immer wieder mit neuen interessanten Angeboten für unsere Mitglieder zu bespielen.

Interview: Nadine Diehl / September 2020