Von Macht und Möglichkeiten

Ein Montagabend im Barockschloss. Die Alte Lehr­buchsammlung ist hell erleuchtet, auf dem restlichen Campus werden hingegen schon so langsam die letzten Lichter ausgeknipst. Nach und nach kommen einige Studierende durch die große Eingangstür, Christine Heinzel begrüßt jeden einzelnen per Zuruf freudig strahlend. Sie ist die Regisseurin des Unitheaters und das Ensemble trifft sich, wie jeden Montag seit September, hier zur Probe.

Rasch werden Stühle und Tische zurechtgerückt, eine provisorische Bühne auf dem Boden abgesteckt, Requisiten ordentlich verteilt. Und schon kann es losgehen mit der 16. Probe des Stückes ‚Wer hat Angst vor Virginia Woolf?‘. „Wir haben drei Stücke vorgeschlagen und dann per Online-Voting abstimmen lassen. Das Stück ist ein Fest für Schauspielerinnen und Schauspieler, weil die Rollen so extrem sind. Ich kenne wenige Stücke, die so brutal ehrlich sind und so unter die Haut gehen“, freut sich Christine Heinzel, die selbst Absolventin der Universität Mannheim ist und seit mehr als 20 Jahren auf und neben der Theaterbühne steht.

Genau 25 Semesterwochen hat das Ensemble Zeit, um zu proben und dann bei der Premiere am 17. Mai ein 90-minütiges Stück auf die Bühne zu bringen. „Einige der Studierenden haben schon Theater gespielt. Es sind aber auch Leute dabei, die noch nie gespielt haben und das fantastisch machen. Diese Entwicklung zu sehen, ist einmalig – das Unitheater ist wie ein Crashkurs für selbstsicheres Auftreten“, erzählt die Regisseurin begeistert.

Nach der Kickoff-Veranstaltung im September ging es weiter mit dem Casting und dem Recall, zu dem alle Studierenden eingeladen wurden, die beim Casting überzeugen konnten. Nach dem Recall waren immer noch zwölf Studierende übrig – Rollen hat das Stück allerdings nur vier. Heinzel entschied sich für eine Doppelbesetzung, suchte also acht finale Favoriten. „Da half am Ende nur der Chemistry Test“, lacht die gebürtige Mannheimerin und fügt an: „Gerade, weil es im Stück ja um zwei Ehepaare geht, muss auch zwischen den Schauspielenden die Chemie stimmen.“

Und das tut sie. Sobald Christine Heinzel das obligatorische „Und bitte!“ in den Raum ruft, wird es still und die Aufmerksamkeit gehört der Bühne, auf der nun mit Inbrunst gestritten, gelitten und beinahe gestorben wird. Als Felix Zimmermann in der Rolle des Biologieprofessors Nick dann eine besonders gekonnte Pointe setzt, lacht die gesamte Alte Lehr­buchsammlung schallend und zugleich befreit auf.

„Genau das möchten wir. Das Stück ist dramatisch genug, wir wollten, dass das Publikum sich ab und an auch den Klos im Hals weglachen kann“, erzählt der Psychologie-Student.

Zwei Ehepaare, die nach einer Party auf einen letzten Drink zusammenkommen und sich am Ende bitterlich bekriegen. Schwerer Stoff und das obendrein aus dem Jahr 1962. Eine der zentralen Fragen, an denen das Unitheater deshalb gearbeitet hat, war: Was will uns das Stück heute sagen? Und so sei man zu den beiden Hauptthemen ‚Macht und Möglichkeiten‘ gekommen. „Was gibt einem Menschen Macht über mich? Und: Hätte nicht alles ganz anders laufen können? Wo liegt der Kipppunkt? Das finden wir spannend“, fasst Heinzel zusammen.

An so einem Abend wie heute probt das Unitheater zwei Szenen. Zu dem achtköpfigen Spieler-Ensemble kommen das Regie-, Dramaturgie- und Technik-Team. Zusätzlich kümmern sich alle auch noch um das Ticketing, Marketing und den Instagram-Kanal, insgesamt 17 Studierende widmen sich dem Projekt Unitheater mit Feuereifer. Gerade kommen sie aus einem Probenwochenende, morgen geht es zur Videoanalyse bei der Regisseurin zu Hause.

Text: Jule Leger/Mai 2023

Termine: Premiere: 17. Mai, 20 Uhr, weitere Aufführungen: 18. Mai, 20 Uhr; 19. Mai, 20 Uhr; 20. Mai, 20 Uhr; 21. Mai 11 Uhr, jeweils in der Alten Lehr­buchsammlung/Schloss Mannheim. Einlass ca. 30 Minuten früher.
Karten: Im Campusshop oder auf www.eventfrog.de/tickets_werhatangst
Alle Infos: www.uni-mannheim.de/theater