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Im Porträt: Prof. Dr. Teresa Naab

Mit Eifer und Herzblut für ihr Fach – die Kommunikations­wissenschaft­lerin Teresa Naab lehrt und forscht seit einem knappen Jahr an der Universität Mannheim. Ob auf gesellschaft­licher oder ganz persönlicher Ebene: In einer Lebens­welt, die dermaßen durchdrungen von digitalen Medien ist, ist es wichtig zu wissen, wie Menschen Medien nutzen und was es mit ihnen macht – davon ist die Mannheimer Professorin überzeugt.

„Irgendwas mit Medien“ – was heute ironisch als Berufswunsch einer ganzen Generation postuliert, geflügeltes Wort und Titel einer ARD-Fernsehserie ist, war im Jahr 2000 noch einfach ein Satz, eine Idee. Damals schrieb die heutige Professorin für Digitale Kommunikation der Universität Mannheim zu Hause im bayrischen Eichstätt gerade ihr Abitur: Teresa Naab. Wohin es danach gehen sollte, war der Abiturientin zunächst noch nicht ganz klar, die Interessen vielfältig: künstlerisch, gestalterisch, handwerklich. Nach einem Praktikum im Bereich Unternehmens­kommunikation und Event­management, wurde die Richtung dann deutlicher und so begann sie ein Studium des Medien­managements an der damaligen Hochschule für Musik und Theater in Hannover. „Im Studium habe ich dann recht schnell meinen Fokus auf die klassische Kommunikations­forschung gerichtet und mich wissenschaft­lich orientiert – das Thema Event­management war dann ziemlich schnell vom Tisch!“, erinnert sich Naab an diese Zeit. Immer wieder lacht sie an diesem Nachmittag im März in die Kamera, sprüht vor Energie. Leidenschaft­lich berichtet sie aus der Forschung und betont, wie viel Spaß und persönliches Interesse sie an ihren Themen habe. So sei sie zum Beispiel zu ihrem Promotions­thema „Gewohnheiten und Rituale der Fernsehnutzung“ vor allem deshalb gekommen, weil sie so viel und so gerne Fernsehen geschaut habe. Und wieder: ein herzhaftes Lachen.

Beschwingt von dieser Leidenschaft folgten auf die besagte Promotion eine Habilitation und wissenschaft­liche Stationen an der University of Georgia/USA, an den Universitäten in Augsburg, München und Mainz. Seit einem knappen Jahr nun ist die 42-jährige Lehr­stuhl­inhaberin am Institut für Medien und Kommunikations­wissenschaft der Universität Mannheim. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mittlerweile vor allem mit der Nutzung und den Wirkungen digitaler Kommunikation. Wie sie von ihrem Promotions­thema hin zu den digitalen Medien kam? Gar kein so weiter Weg sei das gewesen, so Naab und führt aus: „Die Medienlandschaft hat sich einfach verändert! Wenn wir früher Fernsehen geschaut haben und dort Inhalte rezipiert und passiv angeschaut haben, dann machen wir das heute auf unserem Smartphone, dem Computer oder Smart-TV.“ Das spannende für sie sei die Frage nach den Gewohnheiten und Ritualen, die eng mit dem Fernsehen schauen verknüpft waren: Bestimmte TV-Shows wurden angeschaut, um sich am nächsten Tag mit dem Freundeskreis darüber austauschen zu können, man verabredete sich mittwochabends zum gemeinsamen Schauen einer Serie auf dem Sofa, die Tagesschau wurde um 20 Uhr geguckt und danach endete der Tag. Löst sich dieser Bedarf nach Zeitstrukturierung und Gemeinschafts­stiftung, den die Fernsehnutzung erfüllt hat, mit den digitalen Medien auf? „Ich war lange überzeugt davon, dass uns das analoge, lineare Fernsehen erhalten bleiben wird, weil die Menschen den Bedarf nach der Zeitstrukturierung haben – mittlerweile, 15 Jahre später bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher“, sagt die Kommunikations­wissenschaft­lerin nachdenklich. Genau jene Überlegungen sind es, die sie heute umtreiben: „Ein ganz großer Teil unseres Alltags ist von den digitalen Medien durchdrungen. Deswegen ist es wichtig zu wissen, wie Menschen Medien nutzen und was es mit ihnen macht. Was es mit ihnen persönlich macht und auch was es für unsere Gesellschaft bedeutet“. Insbesondere interessiert sie dabei, welche Rolle digitale Kommunikation in demokratischen Prozessen spielt, wie Menschen kompetent in der digitalen Welt agieren können und mit welchen innovativen Methoden digitale Kommunikation erforscht werden kann.

Methodisch lasse sich ihre Forschung derzeit in zwei Teil­bereiche fassen: Zum einen seien da die quantifizierenden Inhaltsanalysen, die sie zum Beispiel dazu nutzt, Kommentarverläufe zu analysieren. „Parallel zu meinem Promotions­thema habe ich mich schon immer für Fragen der Meinungs­freiheit interessiert. Sie ist ein Grundwert unserer Demokratie und im Grundgesetz festgeschrieben. Neben dieser rechtlichen Garantie ist auch wichtig, wie die Bürgerinnen und Bürger dazu stehen. Das ist in sozialen oder digitalen Medien besonders spannend, weil dort plötzlich scheinbar jeder und jede alles schreiben und veröffentlichen kann. Da stellt sich die Frage: Was empfinden wir als nicht mehr tragbar? Und: Wie können wir dagegen vorgehen? So bin ich dann auch zum Forschungs­thema „Hasskommentare“ gekommen“, erklärt Naab. Hasskommentare – ein populärer Begriff, die Forscherinselbst spricht lieber von „unzivilen Kommentaren“: online abgegebene Kommentare, die Beleidigungen, Beschimpfungen, Verfassungs­feindliches, Diskriminierendes enthalten und die kein seltenes Phänomen in den Kommentarspalten der gängigen Nachrichtenwebseiten sind. Für ein von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt hat sich Naab solche Kommentarverläufe angeschaut und analysiert wie rational, respektvoll, konstruktiv, aufeinander bezogen dort kommentiert wird, ob hochwertige Kommentare einen Einfluss auf die Qualität der nachfolgenden Kommentare haben und wie die Nutzerinnen und Nutzer problematische Kommentare sanktionieren. Viele, viele Kommentare mussten dazu gesammelt werden und Naab und ihr Team haben alle sowohl computer­gestützt analysiert als auch manuell – also mit eigenen Augen – gelesen und ausgewertet. Eine Mühe, die sich gelohnt hat, denn es ließen sich Spiraleffekte nachweisen: „Die Qualität vorheriger Kommentare kann die Qualität ganzer Diskussionen beeinflussen, und zwar sowohl positiv als auch negativ, da gibt es Aufwärts- aber auch Abwärtsspiralen.“ Ein Ergebnis,das jedem Mut machen kann, Verantwortung zu übernehmen und Gegenrede zu üben. „Wir wissen aus Studien, dass Kommentare gelesen werden als Hinweise auf öffentliche Meinung. Mit einem Gegenkommentar signalisiert man also allen Mitlesenden und Opfern von Hassrede: Es gibt Menschen, die anderer Meinung sind“, fasst die Professorin zusammen.

Die zweite Methode, mit der sie momentan viel arbeite, seien Befragungen. Welche Effekte hat die Nutzung digitaler Medien auf die Menschen? Was macht es mit uns? Die vielen kontroversen Online-Diskussion, die Informations­flut, die Anonymität im Netz, das Zurschaustellen persönlicher Informationen. „Wir arbeiten dabei auch mit Experimenten. Zum Beispiel geben wir Probandinnen und Probanden verschiedene Online-Umgebungen vor und bitten sie, darin eigene Inhalte zu verfassen, Kommentare, Selbstdarstellungen. Dann prüfen wir: Wie wirken sich verschiedene Online-Umgebungen auf ihre Einstellungen zu bestimmten Themen, auf ihre Interventions­bereitschaft gegen Hasskommentare, auf ihre Vorstellung von sich selbst aus. Gerade dieser letzte Themen­bereich ist momentan für mich ganz besonders spannend! Wir nennen das ‚Selbst-Effekte‘ in der sozialen Kommunikation“, erzählt Naab und fährt fort: „Wir können feststellen, dass Menschen, die etwas über sich preisgeben, damit auch ihre Vorstellungen von sich selbst verändern können. Gerade wer öffentlich postet, bestimmte Einstellungen zu haben oder sich so oder so zu verhalten, kann sich selbst stärker für diese Einstellungen oder dieses Verhalten mobilisieren.“

Studien­gänge wie Kommunikations­wissenschaft und Publizistik sind enorm gefragt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Studierenden verdoppelt und auch Teresa Naab kann sich über mangelnde Nachfrage in ihren Seminaren nicht beklagen. „Ich versuche meinen Studierenden immer klarzumachen: Bloß, weil wir selbst viel Medien nutzen, heißt das nicht, dass wir auch verstehen, wie andere Menschen, die in anderen Lebens­situationen stehen, andere Meinungen und Interessen haben, Medien gebrauchen und welche Wirkungen das auf sie hat. Deswegen muss man es erforschen. Um die Gesellschaft in ihrer Vielfalt verstehen zu können und gleichzeitig Muster zu finden, die sich verallgemeinern lassen“, sagt Naab mit Nachdruck.

Privat ganz entspannt auf dem Handy scrollen? Schwierig gibt Teresa Naab zu, sie habe da schon immer die Forschungs­brille auf und durchforste Kommentarspalten nach wissenschaft­lichen Aspekten. In ihrem Kopf seien Arbeit und private Mediennutzung wohl nicht wirklich getrennt, schmunzelt sie und sagt: „Aber ich arbeite ja auch wirklich gerne! Ich glaube, diese Brille kann ich gar nicht ablegen, aber ich empfinde sie auch nicht als störend.“ Das Smartphone abzulegen hingegen sei gar kein Problem für sie, denn in der Freizeit hat Teresa Naab gerne beide Hände frei: Um im Garten Erde umzugraben zum Beispiel.

Text: Jule Leger/Mai 2023