Mannheims Vergangenheit per App erkunden

Mit Unterstützung studentischer Tutoren und Wissenschaft­lern der Universität Mannheim entwickelten zwei Mannheimer Gymnasialklassen die Grundlage für eine GPS-gesteuerte App. Diese führt Nutzer durch Mannheims kurfürstliche Vergangenheit in einem interaktiven Stadtrundgang. Unter dem Namen „Mannheim Siebzehneinhalb“ ist die App kostenfrei erhältlich.

Mannheims Vergangenheit war fürstlich – oder genau genommen kurfürstlich: Von 1720 bis 1778 war sie Residenzstadt der Kurpfalz. Große Namen wie Schiller, Goethe oder Mozart zog es damals in die Kulturmetropole. Ein Jahr lang gingen 26 Mannheimer Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 11 mit ihren Lehr­ern dem kurfürstlichen Erbe aus der Zeit um 1750 auf den Grund. Dabei wurden sie von studentischen Tutoren sowie von Wissenschaft­lern der Universität Mannheim unterstützt. Gefördert wurde das Projekt durch die Robert Bosch Stiftung.

Herausgekommen sind bei dem kooperativen Projekt nicht nur eine ganze Reihe Seminararbeiten, sondern auch Daten für eine GPS-gesteuerte App. Diese ist nun unter dem Namen „Mannheim Siebzehneinhalb“ kostenfrei für Android- Systeme erhältlich. Wer mit geöffneter App durch die Quadrate spaziert, erhält Einblicke in das Stadtbild der damaligen Zeit: Wie war es, damals einzukaufen? Wo war der Schneider, wo der Schuhmacher? Wie sahen die Gebäude, in denen sich jetzt Kaufhäuser und Drogerien befinden, früher aus? Zur Beantwortung dieser Fragen liefert die App Informationen in Bild, Text und Ton.

Prof. Dr. Hiram Kümper, Inhaber des Lehr­stuhls für Spätmittelalter und Frühe Neuzeit an der Universität Mannheim, initiierte das Kooperations­projekt mit den Mannheimer Gymnasien und hatte auch die Idee für die App: „Mannheim besitzt auch heute etwas, das für viele Großstädte, die zur gleichen Zeit entstanden, nicht mehr die Regel ist – nämlich einen frühneuzeitlichen Stadtgrundriss.“ Laut Kümper erleichtert dieses schachbrettartige Muster nicht nur die Navigation, sondern ist in sich selbst bereits ein markantes Relikt der kurfürstlichen Zeit.

Für die Schülerinnen und Schüler war es nicht nur eine neuartige Herausforderung, mit „Leuten von der Uni“ in Kontakt zu kommen, auch das Lesen alter Handschriften erforderte viel Mühe und Geduld: „Selbst unsere Studierenden können handschriftliche Dokumente nicht ohne Weiteres entziffern. Aber sie sind es gewohnt, sich in knifflige Aufgaben einzuarbeiten und haben die Schüler gut betreut und unterstützt“, erzählt Kümper. Ihm zufolge war die Kooperation für beide Seiten gewinnbringend:„ Gerade für die Lehr­amts­studierenden, die am Projekt mitgewirkt haben, ist der Kontakt zu Schülern eine gute Vorbereitung auf ihren späteren Beruf“, findet der Historiker. Die Schülerinnen und Schüler hätten hingegen nicht nur viel über Mannheims Stadtgeschichte gelernt und einen Einblick in wissenschaft­liche Methoden und Fragestellungen erhalten. Die Projektarbeit habe auch vielen dabei geholfen, mehr Klarheit darüber zu gewinnen, ob ein geistes­wissenschaft­liches Studium den eigenen Interessen entspricht.

Text: Kyra Hoffmann und Kathrin Holstein / Oktober 2018