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Social Start-up für Rollstuhlfahrer-Hose mehrfach ausgezeichnet

In Deutschland gibt es rund 1,8 Millionen Rollstuhlfahrer. Doch obwohl sie besondere Anforderungen an ihre Kleidung haben, gibt es allenfalls teure und unmodische Angebote. Die Studierenden­initiative Enactus Mannheim kämpft mit „Blauherz“ dagegen an. Was 2017 als Projekt begann, hat sich mittlerweile zu einem preisgekrönten Social Start-up entwickelt.

Eine Jeans zuknöpfen oder den Reißverschluss hochziehen wird zur Herausforderung, durch die Hosentaschen schmerzt nach einer Weile das Gesäß und sitzen tut sie auch nicht richtig – für Rollstuhlfahrer ist das ganz alltäglicher Hosenwahnsinn. Die meisten von ihnen greifen deshalb zur Jogginghose. „Dass in der heutigen Zeit, in der es für alles eine Lösung gibt, Rollstuhlfahrer nur schwierig modische und bezahlbare Hosen kaufen können, fanden wir entwürdigend“, sagt Johanna Stolch, Leiterin des Projekts bei Enactus Mannheim. „Mit unserer Marke Blauherz wollen wir diese Lücke schließen.“ Im vergangenen Jahr stellte das Team einen ersten Prototypen her, den die Mannheimer Studierenden gemeinsam mit Rollstuhlfahrern entwickelten.

In diesem Jahr lief die Produktion an, die blaue Hose ist seitdem im Online-Shop erhältlich und genau auf die Bedürfnisse von Menschen mit Gehbehinderung, Prothesen oder anderen motorischen Einschränkungen abgestimmt: Ein hoher Bund am Rücken verhindert, dass die Hose bei langem Sitzen rutscht, sie hat einen Magnetverschluss, der einhändig verschlossen werden kann, ein verlängerter Reißverschluss ermöglicht, sie unkompliziert zu öffnen. „Wir haben sehr gutes Feedback darauf bekommen und mittlerweile schon über 20 Hosen verkauft, obwohl wir erst so kurz online sind“, sagt Johanna Stolch. „Die Käuferinnen und Käufer sind einfach nur überglücklich.“

Die Hosen werden nicht in der Fabrik maschinell gefertigt, sondern von Hand. Möglich macht das die Kooperation mit dem Pilgerhaus Weinheim, das sich um Menschen mit Behinderung und sozialen Nachteilen kümmert. „Es ist das Ziel, ihnen durch eigene Einkünfte die Teilhabe an der Arbeits­welt und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen“, fügt die Mannheimer Studentin hinzu. In der Nähwerkstatt, die gerade im Aufbau ist, werden die Hosen genäht. Einzelne Maße, wie zum Beispiel die Beinlänge, können vor dem Versand individuell angepasst werden.

Für ihr Konzept hat Blauherz seit seiner Entstehung im vergangenen Jahr bereits sieben Preise bei Wettbewerben abgeräumt – unter anderem bei der Google Impact Challenge, dem Start-up BW Elevator Pitch und der Ford College Community Challenge. Das Preisgeld nutzen die Studierenden, um Blauherz weiter auszubauen: Anfang kommenden Jahres wollen sie gemeinsam mit ihrem Kooperations­partner aus dem Projekt ein Inklusions­unternehmen gründen, das sich langfristig am Markt etablieren soll – mit mehreren Produktlinien für Menschen mit und ohne Behinderung. Blauherz hat sein Sortiment bereits erweitert. Mittlerweile gibt es auch Taschen und T-Shirts. Nach ihrem Bachelor „Kultur und Wirtschaft“ könnte sich Johanna vorstellen, im Unternehmen zu bleiben. Schon heute arbeitet sie bis zu sechs Stunden täglich und auch am Wochenende für die gute Sache. „Für mich ist es mehr als eine Herzensangelegenheit“, sagt sie.  

Text: Nadine Diehl / Oktober 2018