Der Anblick von Kunst an der Universität Mannheim ist an sich nichts Außergewöhnliches. In den Fluren des Schlosses finden regelmäßig wechselnde Ausstellungen statt. Wer hingegen das MLP-Foyer im Treppenhaus über dem Haupteingang der Universität erblickt oder die Türen vor Aula und Katakomben betrachtet, wird sich fragen: „Wer hat hier die Wände und Türen bemalt?“ und „Durften die das?“
Bei den „Übeltätern“ handelt es sich nicht etwa um unverhoffte Eindringlinge, sondern um Stipendiatinnen und Stipendiaten des Bronnbacher Stipendiums. Dieses soll angehenden Führungskräften ein Verständnis für künstlerische Denkweisen vermitteln und somit den Austausch zwischen Kunst und Wirtschaft stärken. Hervorragende Studierende und Promovierende der Universität Mannheim und des Karlsruher Instituts für Technologie können sich für das Förderprogramm bewerben und nehmen dabei ein Jahr lang an Veranstaltungen teil, die das künstlerische Bewusstsein schulen. Die Aktion war daher im Vorfeld mit der Universität abgesprochen und fand unter Anleitung des Künstlers Roland Schappert statt.
Trotzdem wirken die plötzlich erschienenen Gemälde und Textbilder wie ein „Eingriff“ ins Universitätsleben. Diesen Effekt zu erzielen, war vom Künstler und den Stipendiaten beabsichtigt: Künstlerische Interventionen verfolgen stets das Ziel, in die Gesellschaft einzugreifen, Impulse zu geben und einen Perspektivwechsel anzuregen. Roland Schappert wählt für seine Interventionen oftmals Orte aus, die eine starke Vorprägung besitzen und sich im Umbruch befinden. So bespielte er auch schon das Benjamin Franklin Village in Mannheim oder das Capitol-Kino in Düsseldorf mit seinen Arbeiten.
Seine Schriftmalereien spielen mit dem Spannungsfeld zwischen künstlerischer Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung. Sich mit diesem Konflikt zu beschäftigen, war auch Aufgabe der Stipendiaten: „Was sollte Kunst mit Wirtschaft zu tun haben?“ und „In welchem Zusammenhang sollte sie mit gesellschaftlicher Verantwortung und Politik stehen?“ Ihre Antworten und Gedanken übersetzten die Studierenden gruppenweise in zwei Gemälde, die nun die Türen vor Aula und Katakomben zieren.
Die Aufgabenstellung, aus der die Textbilder im MLP-Foyer resultieren, war wieder eine andere. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten wurden in Zweiergruppen eingeteilt und sollten den Namen des jeweils anderen verfremden. Eike, die am KIT Elektrotechnik studiert, sagt dazu: „Dadurch, dass mein Name an der Wand der Universität steht, fühle ich mich ein wenig entblößt. Aber es war auch eine interessante Erfahrung und ich habe viel über mich selbst gelernt.“
Killian, ein anderer Stipendiat, genoss vor allem das rebellische Gefühl, das ihn überkam, als er den ersten Pinselstrich an die Wand der Universität machte. Wer die Kunstwerke der Bronnbacher Stipendiaten sehen will, sollte sich beeilen. Aktuell werden Renovierungsarbeiten an besagten Orten vorgenommen und diese im Laufe der nächsten Wochen einen neuen Anstrich erhalten.
Text: Kathrin Holstein / Oktober 2018