Politische Polarisierung führt zu destruktivem Verhalten

In Gesellschaften, die stark polarisiert sind, verhalten sich Wählerinnen und Wähler besonders böswillig gegenüber den Anhängerinnen und Anhängern der gegnerischen Partei. Das konnten der Mannheimer Ökonom Wladislaw Mill und sein Kollege John Morgan zum ersten Mal in einer experimentellen Studie am Beispiel der US-Gesellschaft nachweisen.

In ihrer Studie, die im Fach­journal Experimental Economics erschienen ist, untersuchten die beiden Autoren, ob und inwieweit politische Polarisierung sich auf das nicht-politische Verhalten der Menschen überträgt – insbesondere in Bezug auf Finanzen. Die Daten wurden vor und nach der Präsidentschafts­wahl 2016 in den USA erhoben, bei der sich Donald Trump gegen Hillary Clinton durchsetzte.  

Das Ergebnis der Studie: Die Bereitschaft, das Vermögen eines anderen Menschen zu schmälern, steigt um 15 Prozent, wenn es sich um eine Wählerin oder einen Wähler aus dem gegnerischen Lager handelt. Um das herauszufinden, wurden die Teilnehmenden konkret vor die Frage gestellt, ob sie bereit wären, eine kleinere Summe Geld zu erhalten, wenn dafür die Vertreterin oder der Vertreter der gegnerischen Partei finanz­ielle Verluste erleidet.  

„Unsere Studie führt deutlich vor Augen, dass in einer stark polarisierten Gesellschaft Menschen aggressiver handeln und potentiell weniger bereit sind, zu kooperieren. Polarisierung kann also tatsächliche finanz­ielle Nachteile verursachen“, fasst Studien­autor Mill zusammen, der sich als Verhaltensökonom auch für die „dunkle Seite“ des Menschen interessiert.  

Die Studie zeigt zudem, dass Clinton-Wählerinnen und -Wähler insgesamt eine stärkere Abneigung gegenüber Trump-Anhängern hatten als umgekehrt: Die Wahrscheinlichkeit, einem anderen Menschen ökonomisch zu schaden, war bei den Demokratinnen und Demokraten um 34 Prozent höher, wenn es sich dabei um einen Trump-Wähler handelte. Offensichtlich agierten Clinton-Anhänger also besonders gehässig gegenüber den Republikanerinnen und Republikanern. „Dieses Ergebnis hat uns stark überrascht“, stellt Mill fest. Bei Trump-Wählerinnen und Wählern gab es hingegen keine statistisch signifikante Aus­wirkung der Parteizugehörigkeit auf ihre Entscheidung. 

Dass die beiden Studien­autoren ausgerechnet die USA für ihre Studie gewählt haben, lag vor allem daran, dass sich das Land mit seinem zweigeteilten politischen System besonders für eine solche Untersuchung eignet. Das Ergebnis der Studie sei aber auch auf andere, ähnlich strukturierte Länder übertragbar, so Mill.

Text: Yvonne Kaul / Oktober 2022