Neuroethik beschäftigt sich mit ethischen Fragen der neurowissenschaftlichen Forschung. Das neu entstehende Netzwerk soll den interdisziplinären Austausch auf diesem Gebiet fördern, den wissenschaftlichen Nachwuchs unterstützen und eine Anlaufstelle für nicht-akademische Akteur*innen schaffen, die sich für neuroethische Themen interessieren.
In den nächsten vier Jahren werden die Projektpartner*innen – das Forschungszentrum Jülich, die Berliner Charité, die Universität Mannheim und die Fernuniversität Hagen – zu diesem Zweck gemeinsam Konferenzen, Workshops und Klausurwochen organisieren. Prof. Dr. Philipp Kellmeyer von der Data and Web Science Group an der Universität Mannheim ist bei dem Vorhaben für die Einbeziehung von Interessengruppen und der Öffentlichkeit verantwortlich.
Gesellschaftlichen Diskurs anregen
„Aktuell sind neurotechnologische Geräte, die sich direkt an Verbraucher*innen richten und nicht der Medizinproduktregulierung unterliegen, unzureichend geprüft, so dass Verbraucher*innen über die tatsächlichen Fähigkeiten solcher Geräte getäuscht werden können“, erklärt Kellmeyer. Falls sie also beispielsweise Gehirndaten aus den Geräten an die betroffenen Firmen abgeben, könnten Verletzungen der Privatsphäre und andere unerwünschte Folgen auftreten. Zu klären wäre darüber hinaus die Frage, ob durch neue Verfahren der Gehirndatenanalyse mit KI-Methoden weitreichende Erkenntnisse über mentale Zustände gezogen werden können und ob damit spezielle Schutzrechte für die mentale Privatheit („mental privacy“) notwendig sind.
In Deutschland sei die neuroethische Forschung bislang wenig organisiert und werde vor allem durch einzelne Personen und deren Forschungsgruppen vorangebracht, so Kellmeyer weiter. Die Vernetzung der Neuroethik-Community und der Austausch mit gesellschaftlichen Akteur*innen und politischen Entscheidungsträger*innen sei daher notwendig, um die ethischen Spannungen in öffentliche Debatten einzubringen und gesellschaftlichen Diskurs anzuregen.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt rund einer Million Euro gefördert.
Text: Yvonne Kaul / August 2024