Lennart Böttcher engagiert sich seit einigen Monaten bei der Arbeiterwohlfahrt Mannheim (AWO) und betreut gemeinsam mit drei weiteren Ehrenamtlichen bis zu 30 ukrainische Kinder in einer Mannheimer Notunterkunft. Jede Woche verbringt der 24-jährige Student des Master of Education: Englisch und Politikwissenschaft rund zwei Stunden in seinem Ehrenamt. Er unterstützt die Sozialarbeiter*innen bei Aktivitäten wie gemeinsamen Picknicks, gestaltet den außerschulischen Deutschunterricht und hilft den Kindern, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. „Dank des Deutschlandstipendiums kann ich mich neben meinem Studium auch auf mein Ehrenamt konzentrieren“, erzählt er.
Erfahrungen für die Zukunft
Böttcher ist nur ein Beispiel von vielen Studierenden der Uni Mannheim, die sich neben ihrem Studium ehrenamtlich engagieren. „Manchmal ist es emotional sehr anspruchsvoll, mit Menschen zu arbeiten, die aus einem Krieg geflüchtet sind“, gibt er zu, „aber die positiven Erfahrungen und die Dankbarkeit der Kinder, denen wir helfen, geben mir viel zurück“. Er ist begeistert, wie sich die Kinder in den vergangenen Monaten entwickelt haben, was sie gelernt haben, wie selbstbewusst sie geworden sind – und dass sie langsam wieder ins normale Leben zurückfinden.
Für seine zukünftige Rolle als Lehrer sei diese Erfahrung Gold wert. „Mir war anfangs nicht bewusst, wie wichtig es ist, die individuellen Lebensgeschichten und Voraussetzungen jedes*jeder einzelnen Schüler*in im Auge zu behalten.“ Er sei deutlich sensibler und empathischer geworden. Auch seine Arbeitsweise habe sich verbessert, was vor allem sein direktes Umfeld überrascht habe. „Meine Familie und meine Freund*innen kennen mich eigentlich als sehr unstrukturierten Menschen“, ergänzt Böttcher lachend, „aber heute weiß ich, dass die Balance zwischen Studium und Ehrenamt ein gutes Zeitmanagement und viel Selbstdisziplin erfordert“.
Herausfordernd und inspirierend
Carolina Kambeitz, ebenfalls Deutschlandstipendiatin und Studentin im Bachelor of Education: Französisch und Politikwissenschaft, engagiert sich seit März beim Verein Müttersprache in Mannheim, wo sie Frauen aus verschiedenen Ländern Deutschunterricht gibt. Zusammen mit einer Kommilitonin betreut sie jeden Montag 90 Minuten lang einen Kurs mit zehn Frauen. An den Wochenenden bereiten sie den Unterricht vor, besprechen Schwerpunkte und setzen Ziele. Bis zu zweieinhalb Stunden planen Kambeitz und ihre Freundin dafür ein.
„Was die sprachliche und kulturelle Diversität angeht, ist unser Unterricht schon sehr nah an dem, was uns im Schulalltag später begegnen wird“, erzählt die angehende Lehrerin. Die Arbeit sei oft emotional und herausfordernd, aber auch sehr bereichernd. „Die Frauen erzählen sehr viel von ihrer Heimat, von der Situation in Deutschland, manchmal fließen Tränen und nicht selten sind Kleinkinder mit im Unterricht, weil sie in unserer Kinderbetreuung Sehnsucht nach ihrer Mama bekommen“, erklärt Kambeitz. „Das berührt mich sehr, aber es ist auch inspirierend, die verschiedenen Geschichten der Frauen zu hören und ihnen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen.“ Ihre Mutter, selbst Lehrerin, sei besonders stolz auf die Arbeit ihrer Tochter, denn auch sie kenne den Bedarf an ehrenamtlicher Sprachförderung.
Freiheit und Verantwortung
Die Deutschlandstipendiat*innen erhalten monatlich 300 Euro, finanziert hälftig von Bund und privaten Förder*innen, sowie die Chance auf gesellschaftliches Engagement und persönliches Wachstum. „Für mich ist das Stipendium ein unglaubliches Privileg, das mir den Freiraum gibt, mich ehrenamtlich und an der Uni auf meine Leidenschaft fürs Unterrichten zu konzentrieren“, betont Böttcher. „Außerdem kann ich so auf mein Auslandssemester sparen.“ Der Lehramtsstudent freut sich darauf, im kommenden Herbst an der Brock University in der Nähe von Toronto zu studieren und dort neue Erfahrungen zu sammeln, die ihn sowohl akademisch als auch persönlich weiterbringen.
„Das Stipendium hält mir den Rücken frei, um neben dem Studium erste praktische Gehversuche in der Unterrichtsgestaltung und der Motivation der Schüler*innen zu machen“, sagt Kambeitz. Darüber hinaus schätzt sie die Unabhängigkeit, die ihr die Förderung ermöglicht. „Es gibt mir die Freiheit, zu wachsen, zu lernen und zu helfen“, erklärt sie. Das Stipendium unterstütze sie dabei, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, die Miete zu bezahlen und gleichzeitig ihre Eltern zu entlasten, die durch einen Pflegebedarf in der Familie bereits hohe Kosten zu tragen hätten. „Ich möchte meinen Schüler*innen später mit fundiertem Wissen und großer Empathie begegnen“, erklärt sie und träumt davon, ein Auslandssemester an der Sciences Po in Reims zu absolvieren, um ihre sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten zu vertiefen. „Den finanziellen Druck nicht so sehr zu spüren, gibt mir die Möglichkeit, eines Tages eine Lehrkraft zu werden, die ihren Schüler*innen die bestmöglichen Chancen bietet.“
Wertvolle Kontakte knüpfen
Neben der finanziellen Unterstützung bietet die Universität Mannheim ihren Stipendiat*innen die Möglichkeit, sich mit ihren Förder*innen zu vernetzen und wertvolle Kontakte in die Wirtschaft zu knüpfen. Im 2017 gegründeten DeStip²-Netzwerk mit über 270 Mitgliedern, das sich aus aktuellen und ehemaligen Stipendiat*innen zusammensetzt, vernetzen sich die Studierenden zusätzlich eigenständig untereinander. In der aktuellen Vergabeperiode wurden an der Universität 123 Deutschlandstipendien vergeben. Zu den Stipendiengeber*innen gehört unter anderem die Heinrich-Vetter-Stiftung, die auch Böttcher und Kambeitz mit einem Stipendium unterstützt.
Die Universität Mannheim bietet in einem ausdifferenzierten Stipendiensystem neben dem Deutschlandstipendium das Mannheim-Stipendium, das Mannheimer Chancenstipendium, das Spitzensport-Stipendium Metropolregion Rhein-Neckar sowie das Bronnbacher Stipendium an. Diese Stipendien bieten vielfältige Unterstützung und fördern unterschiedliche Talente und Interessen.
Weitere Infos finden Sie auf der Webseite der Stipendien.
Text: Patrick Kullmann / August 2024
Die Interviews für die Artikel dieser Rubrik haben im Mai und Juni 2024 stattgefunden. Daher ist es möglich, dass Ämter in der Zeit zwischen Redaktionsschluss und Druck des Magazins neu besetzt worden sind oder Angaben nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen.