FORUM: Warum ist es wichtig für die Universität, dass sich Studierende in den verschiedenen Bereichen einbringen?
Thomas Puhl: Bei fast allen Entscheidungen, die an der Uni getroffen werden, möchten wir auch die Sicht der Studierenden kennen. In den offiziellen Gremien, zum Beispiel im Senat, ist ihre Mitsprache gesetzlich vorgegeben. Aber auch bei anderen Themen ist es wichtig, dass sich die Studierenden einbringen. Zum Beispiel im Arbeitskreis Nachhaltigkeit: Wenn wir einen nachhaltigen Campus entwickeln wollen, müssen wir wissen, wo es Verbesserungspotenzial gibt. Da bringen die Studierenden eine zweite Sicht ein. Und unsere Initiativen leben natürlich vom studentischen Engagement.
Clara Schünemann: Für uns ist es super, wenn wir uns neben unserem Studienalltag noch in der Entwicklung der Uni einbringen können. So bleiben unsere Belange dauerhaft aktuell. Und es hilft der Universität, sich kontinuierlich zu verbessern und auf die Studierenden einzugehen.
FORUM: Herr Puhl, Sie geben im Oktober nach sechs Jahren Ihr Amt als Rektor ab. Was hat Sie in dieser Zeit im Bereich des studentischen Engagements besonders beeindruckt?
Puhl: Aktuell haben wir etwa 45 offiziell akkreditierte studentische Initiativen an der Universität – das ist ein wahres Aushängeschild. Natürlich bin ich nicht über alle Aktivitäten informiert, aber ein paar fallen mir immer wieder auf. Da gibt es die Leselernhelfer oder Enactus, die sich im sozialen Bereich engagieren. Ich finde auch VISUM super, die Buddies für internationale Studierende organisieren, um ihnen den Start in Mannheim zu erleichtern. Oder Infinity, die Nachhaltigkeit ganz praxisnah auf dem Campus vorantreiben. Diese Vielfalt an Initiativen ist etwas sehr Besonderes, da ist ein außergewöhnlicher Spirit drin.
FORUM: Empfinden Sie diesen Spirit auch so, Frau Schünemann?
Schünemann: Ja, auf jeden Fall. Das ist es auch, was mich immer wieder motiviert, ins Büro zu gehen und Sachen neu aufzurollen: Weil ich weiß, ich kann dadurch für viele Leute etwas erreichen. Gleichzeitig bin ich mit vielen anderen Studierenden in Kontakt, die sich ebenso dafür einsetzen, dass wir das Studienleben voranbringen. Es ist ein Spirit, den ich sehr wertschätze und den ich auch nicht missen möchte.
FORUM: Welche Projekte haben Rektorat und Studierende in den vergangenen Jahren gemeinsam vorangetrieben?
Schünemann: Ein großer Erfolg sind die Ausleihlaptops, die wir zusammen organisiert haben. Aus Rücklagen der Verfassten Studierendenschaft haben wir sieben Geräte angeschafft und dem Pool der Ausleihlaptops hinzugefügt, die die Uni bereits anbietet.
Puhl: Auch bei der Frage, wie die Qualitätssicherungsmittel eingesetzt werden, also die Gelder, die den Studierenden zur Verfügung stehen, arbeiten wir eng zusammen.
Schünemann: Ja, das ist immer eine große Veranstaltung, bei der wir gemeinsam beratschlagen, wo zum Beispiel ein weiteres Tutorium sinnvoll ist. Darüber hinaus arbeiten wir auch im Bereich Nachhaltigkeit eng mit der Universität zusammen. Bei der Ringvorlesung Nachhaltigkeit des AStA, die jedes Herbst-/Wintersemester stattfindet, unterstützt uns das Rektorat regelmäßig. Ebenso bei der Wahl der Verfassten Studierendenschaft: Wir haben sie dieses Jahr zum ersten Mal online durchgeführt und konnten dafür das Wahlsystem der Universitätsverwaltung benutzen. Das bedeutet für uns einen geringeren Zeitaufwand und produziert viel weniger Papiermüll. Außerdem gibt es mittlerweile dauerhaft ein veganes Menü für drei Euro in der Mensa. Dafür haben sich viele studentische Gruppen lange eingesetzt.
FORUM: Im Bereich Nachhaltigkeit hat die Universität in den letzten Jahren viel erreicht. Welche weiteren Themen stehen aktuell auf der Agenda?
Schünemann: Ein Thema, das durch die Corona-Pandemie vorangetrieben wurde und immer noch aktuell ist, ist die Digitalisierung. Für uns sind vor allem digitale Klausuren relevant, um die sich federführend der Fachschaftsrat kümmert. Wir finden es super, dass die Uni bereit ist, mit uns an einem Strang zu ziehen und das Prüfungsformat weiterzuentwickeln.
Puhl: Wenn ich das richtig sehe, sind wir den anderen Unis in Baden-Württemberg auf diesem Gebiet um eine ordentliche Nasenlänge voraus. Digitalisierung ist aber auch im Hinblick auf unsere internationale Ausrichtung relevant: Manche Veranstaltungen lassen sich nur online durchführen, weil das Reisen viel zu aufwendig wäre.
FORUM: Gibt es Herausforderungen, mit denen Sie während Ihrer Amtszeit zu kämpfen hatten?
Puhl: Die Corona-Pandemie war sicher der größte Einschnitt, weil vom einen auf den anderen Tag vollkommen andere Bedingungen für das Arbeiten und Studieren an der Uni geherrscht haben. Dabei hat sich die Kooperation mit den studentischen Gremien besonders bewährt, die dabei geholfen haben, Informationen in die Studierendenschaft reinzutragen und an uns zurückzuspiegeln, wie sie wirken und welche Bedarfe sonst bestehen. Ich bewundere bei der Verfassten Studierendenschaft, aber auch bei den Fachschaften und Initiativen, dass sie es geschafft haben, diese Zeit überhaupt zu überleben. Denn damals gab es kaum Möglichkeiten, Mitstreiter*innen und Nachwuchs zu rekrutieren.
Schünemann: Ich habe im Herbst-/Wintersemester 2021 mit meinem Studium begonnen, als die Veranstaltungen noch fast ausschließlich online stattfanden. Damals bin ich direkt der Fachschaft für Sprach- und Literaturwissenschaft beigetreten, deren Sitzungen ebenfalls digital waren. Dementsprechend war die Teilnahme nicht besonders hoch. Mittlerweile ist das Engagement der Studierenden glücklicherweise wieder wie vor der Pandemie. Aber wir merken bis heute, dass eine Generation fehlt.
FORUM: Kommt es in Ihrer Zusammenarbeit auch mal zu Konflikten?
Puhl: Ja, natürlich. Leider geht nicht immer alles so schnell, wie man sich das wünscht. Die Umsetzung administrativer Prozesse, zum Beispiel die Anonymisierung von Klausuren, ist mit viel Arbeit verbunden, die für Außenstehende nicht ersichtlich ist. Ich kann verstehen, dass Unbeteiligte dann sagen: Macht es doch einfach. Das geht aber oft nicht.
Schünemann: Für uns ist manchmal nicht nachvollziehbar, warum bestimmte Dinge sehr lange dauern. Und wir bekommen auch Nachfragen von den Studierenden, die sich wundern, weshalb es nicht vorangeht. Deshalb versuchen wir, regelmäßig an den zuständigen Stellen nachzuhaken. Die meisten Konflikte lassen sich aber schnell aus dem Weg räumen.
FORUM: Was möchten Sie den Studierenden und insbesondere den neuen Erstsemestern mit auf den Weg geben?
Schünemann: Bitte engagiert euch! Sucht euch etwas, das euch interessiert und euch begeistert, was auch immer das sein sollte. Probiert Dinge aus und setzt euch für die Sachen ein, die euch wichtig sind. Für mich kann ich sagen: Mein Studium ist dadurch unglaublich reicher geworden.
Puhl: Das unterschreibe ich genau so.
Interview: Katja Bauer und Jessica Scholich / August 2024
Die Interviews für die Artikel dieser Rubrik haben im Mai und Juni 2024 stattgefunden. Daher ist es möglich, dass Ämter in der Zeit zwischen Redaktionsschluss und Druck des Magazins neu besetzt worden sind oder Angaben nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen.