Jeden Donnerstag um 14:30 Uhr machen sich Jana Steinhauer und Valentin Martus auf den Weg zu einem Praxiseinsatz. Ihr Ziel: die Uhland-Werkrealschule in der Neckarstadt-Ost. Dort treffen sie auf eine Handvoll Sechstklässler*innen, mit denen sie Wortschatzübungen machen, Textverständnis üben und über Situationen aus dem Schulalltag sprechen. „UNI-Kurse: Förderunterricht im Nachmittagsbereich“ heißt das Projekt, an dem sie im Rahmen eines Service-Learning-Seminars teilnehmen.
Service Learning ist ein Lehrformat, bei dem Studierende die theoretischen Inhalte aus ihrem Studium in gemeinnützigen Projekten umsetzen. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit externen Partner*innen. So sollen neben den fachlichen auch die sozialen und persönlichen Fähigkeiten der Studierenden gefördert werden.
An der Universität Mannheim hat diese Lernform lange Tradition: Seit 2003 werden Service-Learning-Seminare angeboten. „Der Mannheimer Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. Manfred Hofer war einer der ersten, der das aus den USA stammende Lehrkonzept in Deutschland, an der Uni Mannheim, umsetzte“, sagt Julia Derkau, die am Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsinnovation (ZLBI) für die Implementierung des Lehrformats zuständig ist. „Heute wird Service Learning an allen Universitäten angeboten. Die Uni Mannheim hat aber nach wie vor einen großen Einfluss in der Community und wir entwickeln das Konzept im Netzwerk stetig weiter.“
Martus und Steinhauer studieren Deutsch und Geschichte auf Lehramt im vierten Mastersemester. Das Service-Learning-Seminar des Lehrstuhls für Bildungspsychologie ist ein reguläres Angebot in ihrem Curriculum, für das es ECTS-Punkte gibt. Die Teilnahme ist freiwillig. „Ich habe letztes Jahr mein Schulpraxissemester gemacht und finde es schön, noch mehr Berufserfahrung sammeln zu dürfen“, erklärt Steinhauer ihre Motivation. Martus stimmt ihr zu: „Das Seminar vermittelt uns wertvolle Erfahrungen. Was ich hier lerne, trägt dazu bei, dass ich später eine bessere Lehrkraft bin.“
Vielfältiges Seminarangebot
Service-Learning-Seminare werden nicht nur für Lehramtsstudierende angeboten. An der Philosophischen Fakultät läuft aktuell zum Beispiel ein Seminar in Zusammenarbeit mit dem Veranstaltungshaus Alte Feuerwache, bei dem es um Fragen der kulturellen Vielfalt, der Kulturvermittlung und der Umsetzung der Unternehmensrichtlinien geht. Im Bereich Mathematik können Studierende ein Seminar wählen, bei dem sie in Zusammenarbeit mit Mannheimer Schulen Mathe-AGs, Workshops und Förderkurse durchführen.
Ein Förderkurs ist auch das, was Steinhauer und Martus anbieten. Die Kinder werden von den Lehrer*innen anhand von Tests für die Kurse ausgewählt. „Viele Kinder haben einen Migrationshintergrund und sind bei der Sprachentwicklung auf einem Niveau, das eine oder zwei Klassen zurückliegt“, berichtet Steinhauer. „Wir vermitteln Lese- und Schreibstrategien und fördern den Wortschatz der Kinder“, ergänzt Martus. „Ich bringe ihnen bei, wie sie sich Schritt für Schritt einen Text erschließen können. Sie sollen üben, den Text genau zu lesen, Sinnabschnitte zu bilden und Vorarbeit zu leisten, damit sie ein strukturiertes Vorgehen erlernen, um am Ende schriftliche Fragen beantworten oder Zusammenfassungen schreiben zu können.“ Begleitend zur Praxis findet für die Studierenden jede Woche ein Reflexionsseminar statt, in dem sie sich untereinander und mit den Seminarleiter*innen austauschen sowie Rückmeldung und Anstöße bekommen.
Für Steinhauer und Martus endet das Seminar nach einem Semester, die Zusammenarbeit mit den Schulen wird aber kontinuierlich fortgesetzt. Im nächsten Semester werden andere Studierende die Förderkurse übernehmen. Der Lehramtsstudent wird seinen Kurs in den Semesterferien freiwillig weiterführen: „Für mich ist es ein Training, vor einer kleinen Klasse zu stehen. Und für die Kinder bedeutet das mehr Kontinuität in der Förderung.“
Text: Katja Bauer / August 2024
Die Interviews für die Artikel dieser Rubrik haben im Mai und Juni 2024 stattgefunden. Daher ist es möglich, dass Ämter in der Zeit zwischen Redaktionsschluss und Druck des Magazins neu besetzt worden sind oder Angaben nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen.