GBP-Monitor: Bewertung der Wirtschafts­politik sinkt wegen Energiekrise und Planungs­unsicherheit auf Jahrestief

Deutsche Unternehmen sind derzeit besonders un­zufrieden mit der Wirtschafts­politik der Regierung. Das zeigt der Juli-Bericht des German Business Panel (GBP) an der Universität Mannheim. Die Un­zufriedenheit ist vor allem in Branchen ausgeprägt, die auf Gaslieferungen angewiesen sind und angesichts möglicher Gasknappheit sowie damit verbundener Ungewissheit keine langfristigen Entscheidungen treffen können. Zur schlechten Stimmung in der Industrie tragen auch die weiterhin rückläufigen Gewinne bei.

Pressemitteilung vom 15. Juli 2022
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Die Daten vom Juli 2022 zeigen, dass sich die Lage von Unternehmen in Deutschland erneut eintrübt. Ihre Gewinne gehen durchschnittlich um 6,7 Prozent zurück. Für die verschlechterte Ertragslage machen die Firmenlenker zunehmend die Wirtschafts­politik der Regierung verantwortlich. So erntet die Ampelkoalition die schlechtesten Noten seit ihrem Amtsantritt: Ihre Arbeit wird aktuell im Mittel nur noch mit 3,9 Punkten auf einer Skala von null bis zehn bewertet.

Besonders kritisch fällt die Beurteilung der Bauindustrie aus. In diesem Wirtschafts­zweig liegt die Zustimmung lediglich bei 3,4 Punkten. Der Grund: Bau­unternehmen sind von unterbrochenen Lieferketten am stärksten betroffen, da Materialnachschub für sie besonders kritisch ist. Und dass dieser nicht mehr reibungs­los funktioniert, liegt in den Augen der Firmenchefs an der verfehlten Investitions­politik der Regierung: „Lieferketten werden als Teil der Infrastruktur betrachtet. Dass Deutschland seit vielen Jahren insbesondere im Verkehrs­bereich nicht mehr hinreichend investiert hat, verstärkt die Liefer­probleme zusätzlich. Dies wird zu Recht der Wirtschafts­politik angelastet, auch wenn dieser Vorwurf eigentlich nicht der aktuellen Regierung gelten sollte“, erklärt Prof. Dr. Jannis Bischof, Inhaber des Lehr­stuhls für ABWL und Unternehmens­rechnung an der Universität Mannheim.

Drohender Erdgas-Lieferstopp drückt zusätzlich die Stimmung
Viele Befragte fürchten zudem Gasrationierung und weitere Kostensteigerungen für den Fall, dass die russischen Lieferungen von Erdgas ausbleiben. Diese Sorgen schlagen sich ebenfalls in der Bewertung der Wirtschafts­politik nieder: Unternehmen, die Erdgas direkt im Produktions­prozess oder entlang der Wertschöpfungs­kette einsetzen, benoten die aktuelle Wirtschafts­politik signifikant schlechter als solche, die Gas lediglich zu Heizzwecken oder gar nicht nutzen. Für die wirtschaft­lichen Folgen des Ukraine-Krieges wird die Bundes­regierung hingegen nicht verantwortlich gemacht.

Planungs­unsicherheit im verarbeitenden Gewerbe
Aufgrund der rasant steigenden Beschaffungs- und Energiekosten ist das aktuelle Markt­umfeld von hoher Unsicherheit geprägt – hinsichtlich der Kosten, aber auch, was die künftigen Umsätze betrifft. Davon ist neben der Baubranche auch das verarbeitende Gewerbe betroffen, also beispielsweise der Fahrzeug- und Maschinenbau oder die Nahrungs­mittelindustrie. In diesem Segment liegt die Planungs­unsicherheit um neun Prozent höher als vor Kriegsausbruch. Das Risiko, dass es zu Produktions­ausfällen kommt, wenn Gaslieferungen rationiert werden müssten, ist in diesem Industriezweig besonders hoch.

„Die Erwartungs­haltung an die Regierung ist klar: Die Verlässlichkeit der Energieversorgung muss gewährleistet bleiben und der Wechsel zu alternativen Energiequellen gefördert werden“, stellt der akademische Leiter des GBP, Dr. Davud Rostam-Afschar fest. „Wichtig ist aber auch, eine klare Strategie für den Winter zu erarbeiten, denn derzeit gibt es keine Hinweise, dass ein Ende der Kostenexplosion erreicht ist“, so Rostam-Afschar.

Den „GBP-Monitor: Unternehmens­trends im Juli 2022“ finden Sie hier.

Weitere Informationen zum GBP-Monitor
Das German Business Panel befragt monatlich mehr als 800 Unternehmen zur Unternehmens­lage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitions­änderungen, 2) unternehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Ausfallwahrscheinlichkeit in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik. Zudem wird jeden Monat zu besonders aktuellen Fragen berichtet. In diesem Monat wurden den Unternehmen unter anderem folgende Fragen gestellt: Bedroht der Ukraine-Krieg deutsche Unternehmen in ihrer Existenz? Wie passen Unternehmen ihre betriebs­wirtschaft­liche Planung seit Kriegsausbruch an? Und wie bewerten sie ein Rohstoff-Embargo?

Hintergrund­informationen zum German Business Panel
Das German Business Panel ist ein langfristiges Befragungs­panel des DFG-geförderten überregionalen Projektes „Accounting for Transparency“ (www.accounting-for-transparency.de).

Der Sonderforschungs­bereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019 und wird von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre gefördert. Er ist der erste SFB mit betriebs­wirtschaft­lichem Schwerpunkt. Am SFB sind rund 100 Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler von neun Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forscherinnen und Forscher von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der ESMT Berlin, Frankfurt School of Finance & Management, Goethe-Universität Frankfurt am Main, WHU – Otto Beisheim School of Management, und Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Die Forscherinnen und Forscher untersuchen, wie Rechnungs­wesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmens­transparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 12 Millionen Euro.

Kontakt:

Prof. Dr. Jannis Bischof
Lehr­stuhl für ABWL und Unternehmens­rechnung
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1630
E-Mail: jbischofmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de