Das Mannheimer Barockschloss und der Ehrenhof unter blauem Himmel.

Zugewanderte teilen demokratische Grundwerte

Internationale Studie: Migrant*innen identifizieren sich ähnlich stark mit der Demokratie wie Personen ohne Migrations­hintergrund / Demokratieerfahrung stärkt demokratische Über­zeugungen / demokratiefeindliche Minderheiten gibt es in allen ethnischen Gruppen

Pressemitteilung vom 3. November 2025 
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Migrant*innen in Europa stehen zu den Grundwerten der Demokratie. Das zeigt die neue Studie eines Forschungs­teams um Prof. Dr. Marc Helbling, Soziologe mit Schwerpunkt Migration und Integration an der Universität Mannheim und Vorstands­mitglied des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES). Gemeinsam mit Dr. Fabian Gülzau (Sachverständigenrat für Integration und Migration, SVR) und Dr. Sandra Morgenstern (Universität Mannheim, MZES) hat Helbling Daten des European Social Survey (ESS) und des deutschen Integrations­barometers des SVR ausgewertet. „Unsere Ergebnisse zeigen: Zugewanderte bekennen sich ähnlich stark zu den zentralen demokratischen Prinzipien wie Personen ohne Migrations­hintergrund“, betont Helbling.

Europaweit hohe Zustimmung zu demokratischen Grundwerten

Die Unter­suchung ergab, dass sowohl Migrant*innen, die ursprünglich aus demokratischen Herkunftsländern stammen, als auch jene aus autoritären Ländern sehr hohe Zustimmungs­werte zu zentralen demokratischen Normen wie freie Wahlen, gleiche Rechte, Minderheitenschutz und unabhängige Gerichte aufweisen. Auf der Skala des ESS von 0 bis 10 liegt die durchschnittliche Zustimmung zu diesen Werten europaweit bei 8,56 Punkten für Migrant*innen. Bei Nicht-Migrant*innen liegt die Zustimmung bei 8,48 Punkten. Speziell für Deutschland zeigen die Daten des Integrations­barometers auf einer Skala von null bis drei sehr ähnliche Werte, nämlich 2,67 und 2,66. „Diese jeweils sehr hohen Durchschnitts­werte unter­scheiden sich bei den einzelnen Personen­gruppen kaum“, erläutert Helbling.

Demokratieerfahrung im Ursprungs­land wirkt positiv

Einen leichten aber statistisch signifikanten Unter­schied findet das Forschungs­team zwischen Zugewanderten aus stark autoritären Ländern wie Eritrea, Saudi-Arabien oder Iran einerseits und Migrant*innen aus demokratischeren Ländern wie Indien, der Türkei oder Rumänien andererseits. „Wer viele Jahre in einem sehr autoritären System lebt, entwickelt tendenziell etwas schwächere demokratische Einstellungen. Umgekehrt zeigen Personen, die lange Zeit in demokratischeren Ländern gelebt haben, etwas mehr Zustimmung zur Demokratie. Der Unter­schied ist allerdings wirklich klein,“ erklärt Helbling. „Grundsätzlich werden demokratische Grundüberzeugungen über kulturelle und nationale Grenzen hinweg geteilt und sie verfestigten sich in der Regel mit zunehmender demokratischer Lebens­erfahrung“, fasst der Sozial­wissenschaft­ler zusammen.

Problematische Minderheiten in allen Gruppen

Trotz der insgesamt hohen Zustimmung zur Demokratie gibt es unter Zugewanderten eine kleine Minderheit, die diese ablehnt. Der Anteil dieser Gruppe liegt nach Aussage der Forschenden bei einem mittleren einstelligen Prozentwert. Das entspreche ziemlich genau dem Wert unter Personen ohne Migrations­hintergrund, betont Helbling: „Unsere Analysen zeigen, dass anti­demokratische Haltungen kein spezifisches Migrations­phänomen sind. Kritische Minderheiten finden sich in allen Bevölkerungs­gruppen.“ 

Wissenschaft­licher Hintergrund

Die Unter­suchung beruht auf zwei umfangreichen Datensätzen: Der European Social Survey (ESS, Welle 10) enthält ausführliche Befragungs­daten von mehreren zehntausend Personen, dar­unter mehr als 2.000 Migrant*innen der ersten Generation, aus 30 europäischen Ländern. Dem Integrations­barometer (Welle 4) des deutschen Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) liegen Befragungen von rund 15.000 Personen in Deutschland zugrunde, dar­unter etwa 7.000 Personen mit Migrations­hintergrund bzw. rund 4.000 der ersten Generation. Beide Erhebungen messen zentrale Dimensionen liberal-demokratischer Werte.

Die Studie „Liberal democratic values among immigrants in Europe: Socialisation and adaptation processes“ ist im Oktober 2025 frei zugänglich im European Journal of Political Research erschienen. Sie stellt den Ausgangspunkt für das Projekt „Demokratische Werte unter Migrant*innen aus autoritären Regimen“ dar, das Helbling am MZES gemeinsam mit Dr. Korinna Lindemann und Dr. Sandra Morgenstern leitet. Das Vorhaben wird vom Bundes­ministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) gefördert. Neben seinen Tätigkeiten an MZES und Universität Mannheim ist Helbling u. a. Mitglied des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) und des wissenschaft­lichen Beirats des Forschungs­zentrums des Bundes­amtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Link zur Studie:

Gülzau, Fabian, Marc Helbling, and Sandra Morgenstern. 2025. “Liberal Democratic Values among Immigrants in Europe: Socialisation and Adaptation Processes.” European Journal of Political Research: 1–24. https://doi.org/10.1017/S1475676525100285 (Open Access).

MZES-Projekt: „Demokratische Werte unter Migrant*innen aus autoritären Regimen

Kontakt:
Prof. Dr. Marc Helbling 
Vorstands­mitglied und Projektleiter des MZES
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-3391
E-Mail: marc.helblingmail-uni-mannheim.de

Nikolaus Hollermeier
Presse- und Öffentlichkeits­arbeit
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2839
E-Mail: kommunikationmail-mzes.uni-mannheim.de
www.mzes.uni-mannheim.de