Bündnis Sahra Wagenknecht schwächte die AfD stärker als gedacht

Seit seiner Gründung Anfang 2024 nahm das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erfolgreich an den Europawahlen sowie an den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg teil und erzielte dabei zweistellige Wahlergebnisse. Bisherige Nachwahlbefragungen legten nahe, dass ein Großteil der Stimmen für das BSW vor allem von der SPD und der Partei „Die Linke“ stammt – und nicht von der AfD. Eine neue Studie an der Universität Mannheim belegt nun, dass die Dynamik der Stimmenverschiebung viel komplexer ausfiel, und dass das BSW auch erfolgreich darin war, bis Oktober 2023 zur AfD übergelaufene Anhänger*innen anzusprechen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Research and Politics“ erschienen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei der Stimmenwanderung Richtung BSW die AfD vorne liegt – knapp vor der Linken. Erst danach kommen Union und SPD“, so Dr. Constantin Wurthmann von der Universität Mannheim. Die Unterschiede zu bisherigen Umfragen ergeben sich aufgrund hochwertigerer Daten: Wurthmann und seine Kolleg*innen Dr. Sarah Wagner und Leon Heckmann griffen im Rahmen der Studie auf Daten aus der German Longitudinal Election Study (GLES) zurück, die individuelle Verhaltensanpassungen im Zeitverlauf untersucht. Die in unregelmäßigen Abständen durchgeführte Langzeitbefragung erfasst die politischen Einstellungen und Wahlabsichten von Bürger*innen aus ganz Deutschland.
Das Team verglich die GLES-Erhebungen von der Bundestagswahl 2021 sowie von Oktober 2023, als es das BSW noch nicht gab, mit den Daten nach der Europawahl 2024. Der Vergleich zeigte, dass ein Teil der Wählerschaft ursprünglich tatsächlich die Absicht hatte, die AfD zu wählen und sich erst nach der Gründung der neuen Partei für das BSW entschied. Die Daten zeigen ferner, dass es dem BSW schwerfällt, AfD-Stammwähler*innen anzuziehen, und dass sie deutlich erfolgreicher darin ist, bis Oktober 2023 neu überzeugte AfD-Anhänger*innen anzusprechen.
Die Ablehnung der Ukraine-Unterstützung stellt sich dabei als das dominierende Thema heraus, welches die Menschen zum BSW treibt – quer durch das gesamte Parteienspektrum. Diejenigen, die für BSW stimmten, sind insgesamt skeptischer gegenüber der deutschen Ukraine-Unterstützung. Bei ihren Wahlentscheidungen legen BSW-Wähler*innen zudem besonderen Wert darauf, dass die Partei soziale Wohlfahrtspolitik mit einer migrationskritischen Haltung verbindet – eine Verknüpfung, die in dieser Ausprägung bei keiner anderen Parteien zu finden ist.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die zunehmende Flexibilität und Unbeständigkeit der europäischen Wähler*innen“, stellen die Autor*innen abschließend fest. „Letztlich trägt unsere Studie zu einer kritischen Diskussion darüber bei, ob das BSW die Mobilisierung für die AfD verringern kann“.
Heckmann, L., Wurthmann, L. C., Wagner, S. Who’s afraid of Sahra – Understanding the shift in votes towards Germany’s Bündnis Sahra Wagenknecht. Research and Politics (2025): journals.sagepub.com/doi/10.1177/20531680241311504