Ungenauigkeit hat manchmal ihre Vorzüge

Lisa, eine junge Studentin, füllt im Internet einen Intelligenztest aus. Gespannt wartet sie auf das Ergebnis: den IQ-Wert, der ihr ganz genau angeben soll, wie intelligent sie ist. Doch was bringt Lisa das Wissen über ihr mentales Leistungsvermögen eigentlich? Ist es immer gut ganz genau zu wissen, wie intelligent man ist und welches Leistungsvermögen man hat? Generell tendieren Menschen dazu, präzise Informationen gegenüber unpräzisen zu bevorzugen. Grund für diese Präferenz ist, dass präzise Informationen das Umfeld berechenbarer machen und dadurch ein Gefühl der Sicherheit vermitteln.
Entgegen dieser Erkenntnisse postulierte nun das Forschungsteam um Himanshu Mishra, dass Vagheit manchmal auch ihre Vorzüge haben kann. Die ForscherInnen nahmen an, dass uns vage Informationen über unser Leistungsvermögen eher zu Höchstleistungen motivieren können als ganz präzise Informationen.
Mishra und KollegInnen führten eine Studie durch, in der die Teilnehmenden eine Aufgabe zur mentalen Scharfsinnigkeit absolvierten. Während die Teilnehmenden ein Spiel spielten, bei dem es um mentale Scharfsinnigkeit ging, wurde ihnen Schokolade angeboten. Ihnen wurde gesagt, dass im Kakao der Schokolade Flavanol enthalten sei, welches die mentale Scharfsinnigkeit verbessere, und dass diese Wirkung bereits ab einem Gramm Kakao eintreten könne. Einem Teil der Personen wurde gesagt, dass der Kakaoanteil der Schokolade genau ein Gramm betrage (präzise Information). Einem anderen Teil wurde gesagt der Kakaoanteil der Schokolade liege zwischen 0,5 und 1,5 Gramm (vage Information).
Interessanterweise erwarteten Teilnehmende, die nur vage Informationen über die leistungssteigernde Wirkung der Schokolade erhalten hatten, eine stärkere Leistungssteigerung durch den Schokoladenkonsum als Teilnehmende, die präzise Information bekommen hatten. Außerdem trat bei vager Information tatsächlich eine höhere Leistungssteigerung im Spielverlauf ein als bei präziser Information.
Erklärt werden können diese Ergebnisse durch die Neigung von Menschen, Informationen so zu interpretieren, wie sie am günstigsten für sie selbst sind. Vage Informationen ermöglichen einen größeren Interpretationsspielraum als präzise Informationen. In der Studie konnten Personen vage Informationen leichter zu ihren Gunsten interpretieren („Wahrscheinlich enthält die Schokolade 1,5 Gramm Flavanol“) und erwarteten somit eher, dass die Schokolade ihre Leistung steigern würde. Dies motivierte die Teilnehmenden („Wenn ich die Schokolade esse, dann muss ich auch besser in dem Spiel abschneiden“) und führte so tatsächlich zu einer höheren Leistungssteigerung.
Wenn man eine möglichst gute Leistung erzielen will, kann es manchmal also besser sein nicht ganz genau zu wissen, welches potentielle Leistungsvermögen man hat. Vor der nächsten Prüfung sollte man sich deshalb vielleicht nicht unbedingt einem Intelligenztest unterziehen, der einem einen exakten Punktwert liefert, sondern sollte sich eher auf die vage Einschätzung verlassen, dass man die Prüfung wahrscheinlich gut meistern wird.
Mishra, H., Mishra, A., & Shiv, B. (in press). In praise of vagueness: Malleability of vague information as a performance booster. Psychological Science.
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