Warum verändern sich Sprachen?
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein Projekt unter der Federführung der Mannheimer Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Carola Trips mit insgesamt 3,5 Millionen Euro. Ziel des Projekts ist es, den Sprachwandel nicht nur aus historischer, sondern auch aus psycholinguistischer Perspektive zu untersuchen und damit eine neue Disziplin der Linguistik zu begründen.
Unterschiedlicher könnten die Arbeitsmethoden nicht sein: Während die Psycholinguistik vorwiegend mit Technologien wie Eye-Tracking – also Blickbewegungsmessung – im Labor experimentiert, untersucht die historische Linguistik die Veränderungen von Sprachen über längere Zeiträume hinweg – meist mit Hilfe von alten Texten und historischen Daten. Die neue Forschungsgruppe SILPAC unter der Leitung von Professorin Carola Trips hat das Ziel, beide Sichtweisen zu verbinden, um neue Erkenntnisse über den Sprachwandel zu gewinnen. Im September 2021 hat die DFG die Förderung für das Projekt in Höhe von 3,5 Millionen Euro für zunächst vier Jahre bekanntgegeben.
SILPAC steht für Structuring the Input in Language Processing, Acquisition, and Change. Acht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus fünf Universitäten kommen in dieser Gruppe zusammen. Ihre Aufgabe ist es, eine empirisch und theoretisch fundierte Erklärung der Zusammenhänge zwischen der Sprachverarbeitung, dem Spracherwerb und dem Sprachwandel zu liefern. Sprecheruniversität ist die Universität Mannheim, die auch den renommierten Mercator Fellow des Projekts, Charles Yang von der University of Pennsylvania, als Gastprofessor aufnimmt.
Der Wandel der Sprache, ihrer Struktur und ihrer Grammatik ist ein Thema, dem sich die historische Linguistin Trips schon längere Zeit widmet. Sie hat in der Vergangenheit unter anderem in einem DFG-Projekt die Entwicklung des Englischen und Französischen im Mittelalter erforscht. In ihrer Arbeit stellte sie jedoch immer wieder fest, dass ihr eine neue Perspektive fehlte, um Sprachwandel erklären zu können. Aus diesem Grund wollte sie die bislang nur punktuelle Zusammenarbeit mit Psycholinguisten vertiefen. „Dass wir den Zuschlag für unser Projekt erhalten haben, ist ein großer Erfolg. Diese Art von Zusammenarbeit gibt es so bislang nicht“, so Trips.
Eine Besonderheit der Zusammenarbeit sind so genannte Brückenprojekte. Hier untersuchen die Forschenden zum Beispiel das so genannte Priming. Priming ist eine Methode aus der Psycholinguistik und bezeichnet eine subtile Beeinflussung des Denkens, Handelns oder Sprechens. Die psycholinguistische Methode machen sich nun auch die historischen Linguisten bei der Arbeit an alten Manuskripten zu Eigen.
Nicht weniger als die Begründung einer neuen Disziplin, der psycho-historischen Linguistik, schwebt der neuen Forschungsgruppe vor. Dafür haben die Projektleiterinnen und Projektleiter ein spezielles Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs entwickelt und ein breit gefächertes Ausbildungsprogramm für Masterstudierende, Doktoranden und Postdoktoranden konzipiert – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die im Rahmen von SILPAC geschaffenen Strukturen von Dauer sein werden.
Text: Yvonne Kaul / April 2022