Stabübergabe der Gleichstellungs­beauftragten

Am 7. Dezember 2022 wurde Prof. Dr. Astrid Lembke vom Senat zur neuen Gleichstellungs­beauftragten der Universität Mannheim gewählt und folgt auf Prof. Dr. Jutta Mata, die das Amt für vier Jahre innehatte. Im FORUM-Interview berichten die beiden Professorinnen von bisherigen Erfolgen und den künftigen Herausforderungen.

FORUM: Frau Professorin Mata, Sie hatten das Amt der Gleichstellungs­beauftragten für vier Jahre, sprich zwei Amtszeiten, inne.Auf welche während Ihrer Amtszeit erreichten Ziele sind Sie besonders stolz? 

Prof. Dr. Jutta Mata: Für viele ist Gleichstellung ein sehr emotionales Thema. Ich wollte einen sachlichen, wissenschaft­lichen Zugang und bin daher empirisch und evidenz­basiert vorgegangen. Für einige Fragen gab es bei meinem Amtsantritt nur wenige Daten – hier haben wir eigene Daten erhoben oder vorhandene Daten so aufbereitet, dass wir sie auswerten konnten. Auf der Grundlage dieser Daten haben wir Maßnahmen für evidenz­basierte Gleichstellung erarbeitet, die sich auch im neuenBerufungs­leitfaden wieder finden, der im September 2022 im Senat verabschiedet worden ist. Er legt ein wichtiges Fundament für mehr Gleichstellung in den Berufungs­verfahren. 

Zum anderen haben wir eine Umfrage zur Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie gemacht. Diese ergab u.a., dass es ein deutliches Informations­defizit an der Uni gibt. Die meisten Angebote zum Thema Chancengleichheit sind nur einem kleinen Teil der Mitglieder der Uni bekannt und auch ein Informations­defizit von Vorgesetzten in Bezug auf Elternzeit und Mutterschutz wurde sichtbar.  

FORUM: Was ist in dieser Zeit in der Gleichstellungs­arbeit an der Universität Mannheim noch passiert?  

Prof. Dr. Jutta Mata: Wir haben neue Programme aufgelegt. Für junge Eltern gibt es jetzt das FAiR@UMA Programm – familiär eingebundene Wissenschaft­lerinnen können hier unbürokratisch Gelder für Hilfskraftmittel beantragen und sich bei Recherchearbeiten unterstützen lassen. Auch an der Kommunikation haben wir massiv gearbeitet. So gibt es nun ein Informations­heft für Fakultäts­gleichstellungs­beauftragte, unsere Homepage ist neu und außerdem haben wir die Senats­kommission Gleichstellung um einige Mitglieds­gruppen erweitert, so dass nun auch Bottom up Initiativen wie WUMAN involviert sind.  

FORUM: In Ihre Amtszeit fiel auch die Corona-Pandemie und damit eine Zeit, die nachweislich für Frauen in der Forschung massive Nachteile bedeutete. Was muss in Ihren Augen jetzt passieren, um diese Entwicklung abzufangen?  

Prof. Dr. Jutta Mata: Die Daten zeigen, dass Frauen schon vor der Pandemie im Wissenschafts­system strukturell benachteiligt waren und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Forschende mit kleinen Kindern und vor allem Forscherinnen während der Pandemie deutliche Produktivitätseinbrüche in ihrer wissenschaft­lichen Arbeit hatten. Wenn wir nicht systematisch bestimmte Gruppen aus dem Wissenschafts­system verlieren möchten, müssen wir gegensteuern. Dafür brauchen wir einheitliche Regelungen, z.B. dazu, wie die wissenschaft­liche Leistung aus dieser Zeit in Berufungs­verfahren gewertet wird. Natürlich muss darüber hinaus der Einzelfall berücksichtigt werden. Aber überhaupt festzuschreiben, dass diese Zeit gesondert bewertet werden muss, ist in meinen Augen zentral.  

FORUM: Welche Tipps geben Sie Frau Professorin Lembke für die nun anstehende Amtszeit mit auf den Weg? 

Prof. Dr. Jutta Mata: Tipps geben klingt so, als ob ich besser wüsste, wie man Gleichstellungs­arbeit macht. Das sehe ich aber gar nicht so. Wir haben eine Übergabe gemacht und werden uns hoffentlich weiter zu verschiedenen Themen austauschen. Aus meiner Sicht brennen ein paar Themen besonders – dazu gehört, dass wir unbedingt und rasch den Anteil von Professorinnen an unserer Uni steigern müssen, das wird uns in Zukunft sonst wirklich ein Standortnachteil sein. Zudem wird es wichtig sein, Gleichstellung und Diversität neben- und miteinander zu denken. Das sind unterschiedliche Schwerpunkte und beide sind wichtig, um die besten Köpfe und Ideen für die Uni Mannheim zu gewinnen. Wir dürfen sie nicht gegeneinander ausspielen.  

Darüber hinaus nehme ich einen sehr großen Informations­bedarf bei Mitgliedern der Universität wahr. Studierende glauben oft, dass die Freikommentare der Lehr­evaluationen – in denen sie z.B. diskriminierende Äußerungen von Lehr­enden benennen – von einer Art Kontrollgremium gelesen werden und die Lehr­evaluation damit eine Art „Beschwerdefunktion“ hat. Dem ist aber nicht so – klarer kommunizierte Regeln, wie sich Personen bei Verstößen verhalten können, wären hilfreich.   

FORUM: Frau Professorin Lembke, Sie sind noch ganz frisch an der Universität Mannheim. Hatten Sie in Ihrer vorherigen Laufbahn schon einmal das Amt der Gleichstellungs­beauftragten inne?  

Prof. Dr. Astrid Lembke: Ich war bislang noch nie Gleichstellungs­beauftragte und freue mich daher besonders darüber, dieses wichtige Amt nun ausüben zu dürfen. Mit Fragen von Gleichstellung und Diversität hatte ich in meiner Laufbahn allerdings immer wieder zu tun – zum einen während meiner Zeit als Assistentin an der Humboldt-Universität zu Berlin, als ich eine Zeitlang den akademischen Mittelbau im Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechter­studien vertreten habe. Dort wurde sehr engagiert darüber diskutiert, wie man sich an Universitäten mit Diskriminierungs- und Deprivilegierungs­phänomenen auseinandersetzen kann, sowohl wissenschaft­lich als auch im universitären Alltag. Dabei habe ich viel gelernt. Zum anderen hatte ich das große Glück, am Berliner ProFiL-Programm teilnehmen zu dürfen, einem Förder­programm, das Frauen auf dem Weg zur Professur unterstützt. Der Austausch mit anderen Wissenschaft­lerinnen, auch aus ganz anderen Fächern als meinem, war für mich sehr bereichernd und hat mir auch die Augen dafür geöffnet, wie viel für Gerechtigkeit und Chancengleichheit noch getan werden muss. Dafür möchte ich mich in den nächsten beiden Jahren einsetzen.  

FORUM: Schaut man sich die Zahlen zur Gleichstellung an der Universität Mannheim an, zeichnet sich ein Bild ab, das sich in der gesamten deutschen Hochschul­landschaft widerspiegelt: Während im HWS 2022/23 rund 53% der Studierenden Frauen sind, sind nicht einmal ein Viertel der Professuren mit weiblichen Wissenschaft­lerinnen besetzt. Wo gehen uns die Frauen auf dem Weg verloren und was muss in Ihren Augen getan werden, um das Wissenschafts­system diverser zu gestalten?  

Prof. Dr. Astrid Lembke: Ein wichtigerBaustein ist sicherlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Davon sind nicht nur Frauen betroffen, sondern auch Männer, Frauen aber vergleichsweise immer noch häufiger. Hier kann noch viel getan werden. An der Uni Mannheim gibt es bereits Maßnahmen, die zum Beispiel Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler sowie Studierende mit Kind unterstützen, etwa durch das Eltern-Kind-Zimmer oder die Möglichkeit, dass in der Mensa Kinder von Studierenden bis zum 10. Lebens­jahr kostenlos zu Mittag essen. Ein Knackpunkt an sehr vielen Hochschulen ist die Kinderbetreuung. Hier lässt sich auch in Mannheim noch Einiges verbessern.  

Ein anderer Baustein sind nach wie vor die Berufungs­verfahren – dies ist in vielen wissenschaft­lichen Karrieren der Punkt, an dem sich entscheidet, ob man als Wissenschaft­lerin die Chance auf eine Professur hat. In diesem Bereich hat Frau Professorin Mata federführend dabei mitgewirkt, einen Leitfaden zu erstellen, der u.a. verhindern soll, dass Wissenschaft­lerinnen un­gerechtfertigt – zum Teil auch unbewusst – aussortiert werden. Meine Aufgabe ist es nun, diesem Leitfaden immer wieder Sichtbarkeit und Gehör zu verschaffen. 

Mentoring- und Förder­programme wie etwa das Programm, an dem ich als junge Wissenschaft­lerin teilnehmen durfte, haben sich ebenfalls als wirksam erwiesen, um einem vorzeitigen Ausscheiden von Frauen aus dem Wissenschafts­betrieb entgegenzuwirken. Wichtig scheint es mir zudem, junge Frauen für das Studium von Fächern zu gewinnen, in denen sie bislang unterrepräsentiert sind – das wäre bei uns beispielsweise die VWL. Je mehr Schülerinnen es wagen, in diesem Bereich ihr Talent und ihre Kompetenz zu entwickeln, anzuwenden und voll auszuschöpfen, desto diverser werden diese Fächer insgesamt.  

FORUM: Was sind die ersten Punkte, die Sie angehen möchten? 

Prof. Dr. Astrid Lembke: Im Moment sind wir noch stark damit beschäftigt, die Rolle der Gleichstellung an der Uni Mannheim zu definieren und einen aktuellen und zeitgemäßen Gleichstellungs­plan zu entwickeln. In einem nächsten Schritt werden wir uns um die Aufnahme in die nächste Runde des Professorinnen­programms zu bemühen. Mit diesem Programm wollen Bund und Länder den Anteil von Frauen auf Professuren erhöhen. Was mir außerdem vorschwebt, ist ein Förder­programm für Wissenschaft­lerinnen in der Postdoc-Phase.  

Ich interessiere mich für alle Aspekte der Gleichstellungs­arbeit, Chancengleichheit ist aber auch jenseits der Kategorie Geschlecht wichtig. Deshalb möchte ich mich dafür einsetzen, dass an unserer Universität Diversität noch stärker als Vorteil verstanden wird und bei uns Menschen aus allen möglichen sozialen Kontexten einen guten Ort vorfinden, um hier zu studieren, zu arbeiten und zu forschen. 

Text: Jule Leger und Rheia Martiny/Mai 2023

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