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Starkes Über­gewicht wird als selbstverschuldet wahrgenommen

Zu viele Süßigkeiten essen, statt Sport machen auf dem Sofa hocken – wer dick ist, ist selber schuld. So denken zumindest die meisten Menschen laut einer gemeinsamen Studie der Mannheimer Gesundheitspsychologin Prof. Dr. Jutta Mata und des Max-Planck-Instituts für Bildungs­forschung, die in der renommierten Fach­zeitschrift Annals of Behavioral Medicine veröffentlich wurde.

Die breite Öffentlichkeit gibt dem Einzelnen die Schuld an seinem Über­gewicht – dies zeigt eine repräsentative Umfrage in Deutschland, Großbritannien und den USA. Fast die Hälfte der befragten Amerikaner und ein Drittel der Deutschen und Briten sind außerdem der Meinung, dass Betroffene deshalb medizinische Behandlungs­kosten für Krankheiten selbst tragen sollten, die in Zusammenhang mit den überschüssigen Pfunden stehen. Und das, obwohl sich Experten einig sind: Für die Zunahme von Adipositas sind vor allem veränderte Umweltbedingungen verantwortlich und nicht der Einzelne. Schließlich ernähren sich Menschen in Industrienationen heute weitaus kalorienreicher als früher, während sie sich gleichzeitig weniger bewegen. Die Folge: Ein Drittel der Weltbevölkerung ist übergewichtig.

„Die gesellschaft­liche Unter­stützung für politische Maßnahmen, die diese Umstände in den Fokus nehmen, sind bisher jedoch eher gering“, sagt Jutta Mata, Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Mannheim und assoziierte Wissenschaft­lerin am Max-Planck-Institut für Bildungs­forschung. In allen drei Ländern machten die meisten Befragten den Einzelnen für Fettleibigkeit verantwortlich, genauso wie bei Süchten wie Alkohol- oder Tabakabhängigkeit. Auch dazu wurden in der Studie die Einstellungen abgefragt, um die Ergebnisse besser einordnen zu können. In ihrer Dynamik ähnelt sich die „Sucht nach Essen“ nämlich stark der Abhängigkeit anderer „Genussmittel“. Hohe Steuern, reglementierte Verfügbarkeit, regulierte Ver­markt­ung und Bewerbung sowie Warnhinweise – solche Maßnahmen, die bereits gegen die Alkohol- und Nikotinabhängigkeit im Einsatz sind, sollten die Befragten auch für den Kampf gegen Adipositas bewerten.

„Eine Maßnahme zur Prävention von Adipositas, die eine breite Unter­stützung in der Öffentlichkeit erhält, sind verständliche Nährwertkennzeichnungen. Sie können die Entscheidungs­kompetenz der Menschen stärken und wären leicht umsetzbar“, sagt Ralph Hertwig, Direktor des Forschungs­bereichs „Adaptive Rationalität“ am Max-Planck-Institut für Bildungs­forschung in Berlin. Den Effekt höherer Steuern auf kalorienreiche Lebens­mittel schätzten die Befragten hingegen als eher gering ein.

Text: Redaktion FORUM / Oktober 2018