KI, die uns alle betrifft
Ein Interview mit Prof. Dr. Dirk Ifenthaler, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik – Technologiebasiertes Instruktionsdesign an der Universität Mannheim und UNESCO Deputy Chair on Data Science in Higher Education Learning and Teaching an der Curtin University, Australien. Sein Forschungsschwerpunkt verbindet Fragen der Lehr-Lernforschung, Bildungstechnologie, Data Analytics und organisationalem Lernen.

FORUM: Was sind die wichtigsten Errungenschaften durch KI im Bildungsbereich, die heute schon angewendet werden?
Ifenthaler: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts, also mit der Geburtsstunde von KI, wurden vielfältige Anwendungsszenarien mit KI-Komponenten für den Bildungskontext entwickelt und erforscht. Dazu gehören zum Beispiel tutorielle Systeme (computer-assisted instruction) aus den 1960er und 1970er Jahren. Im weiteren Verlauf wurden bis in die 1990er Jahre adaptive Systeme in digitale Lernumgebungen implementiert, wobei die technologischen Möglichkeiten und Bandbreiten des anfänglichen Internets die Einsatzmöglichkeiten einschränkten. Mit der Jahrtausendwende und der Verfügbarkeit umfassenderer Computersysteme rückten automatisierte Analysen von natürlichsprachlichen Artefakten in den Fokus der Forschung. Neben Machine-Learning-Ansätzen zur Analyse und Vorhersage von abbruchgefährdeten Studierenden in den 2010er Jahren fokussieren sich aktuelle Forschungsansätze auf die Verwendung generativer KI-Modelle zur Personalisierung von Lernumgebungen und Unterstützung von Prüfungsszenarien.
FORUM: Sehen Sie dabei auch Gefahren?
Ifenthaler: Im Kontext der Bildung wird KI ambivalent rezipiert. Neben den vielfältigen Potenzialen werden unweigerlich vielfältige Risiken und Herausforderungen diskutiert. Dazu gehören ethische Perspektiven auf KI im Zusammenhang mit pädagogischen Entscheidungen sowie Fragen nach sozialer Verantwortung durch den Einsatz von KI. Auch liegen umfassende Forschungsarbeiten zum Datenschutz von Lernenden und Lehrenden im Kontext von KI vor. Zusammenfassend wird ein auf den Menschen ausgerichteter Ansatz von KI in der Bildung gefordert, wie im UNESCO-Mandat ausgeführt.
FORUM: Wie stark und wie schnell wird KI Ihren Bereich in der Zukunft verändern?
Ifenthaler: KI hat das Potenzial, die Weiterentwicklung des Bildungswesens zu unterstützen und dieses inklusiver und gerechter zu gestalten. Dabei können bestehende Lehrmethoden und Lernumgebungen an individuelle Bedürfnisse angepasst werden und lebenslanges Lernen fördern. Aus globaler Sicht ist mittels KI ein rascher Fortschritt bei der Verwirklichung des UNESCO Sustainable Development Goal 4 – Education 2030 (das SDG Ziel Nummer 4 lautet „Hochwertige Bildung“ und soll Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern) zu erwarten.
Text: Katja Bauer, Jule Leger/