Das Mannheimer Barockschloss und der Ehrenhof unter blauem Himmel.

Wie beeinflusst die Ideologie und Lobbynähe von US-Politikern die Rechnungs­legung von Unter­nehmen?

In einer neuen Studie haben Mannheimer Forscher die Einflussnahme von US-Kongress­abgeordneten auf die Regulierung der Rechnungs­legung unter­sucht. Das Team unter der Leitung von Prof. Jannis Bischof am Sonderforschungs­bereich „Accounting for Trans­parency“ fand heraus, dass ideologisch motivierte Kongress­abgeordnete sich an der Ausgestaltung von Rechnungs­legung meist nur dann beteiligen, wenn wichtige Wirtschafts­themen im Fokus der Medien stehen. Abgeordnete, die starke Verbindungen zu Lobby­gruppen aufweisen, bringen sich dagegen kontinuierlich ein.

Pressemitteilung vom 20. Februar 2020

Im September 2008 ging die Investmentbank Lehman Brothers pleite. Wenige Tage danach kündigte die US-Regierung ein Rettungs­paket für die Finanz­branche in Höhe von fast 800 Milliarden Dollar an – begleitet von einer politischen Debatte, ob das Geld nicht doch lieber in Renten, Schulen oder den Gesundheits­sektor fließen sollte. Die Diskussionen wurden in der Öffentlichkeit wie im amerikanischen Kongress kontrovers ausgetragen: Während konservative republikanische Abgeordnete sich mehrheitlich gegen die Bankenrettung ausgesprochen haben, waren viele Demokraten dafür.

Stark links oder rechts orientierte Kongress­abgeordnete mischen sich jedoch nicht durchgängig in die Spielregeln der Finanz­industrie ein. Sobald das Interesse der Medien und der breiten Öffentlichkeit an einem Thema schwindet, sinkt auch ihre Bereitschaft, sich mit den technischen Aspekten der Finanz­industrie – wie der Rechnungs­legung – auseinanderzusetzen. Das fanden die Mannheimer BWL-Forscher Prof. Jannis Bischof und Prof. Holger Daske in ihrer neuesten Studie heraus.

In der Studie stellten Bischof und Daske fest, dass sich Kongress­abgeordnete in den USA grundsätzlich in zwei Gruppen unter­teilen lassen: Die Gruppe der ideologisch motivierten Abgeordneten äußert sich nur sporadisch zum Regelwerk der Rechnungs­legung und hat dabei vor allem die wirtschaft­lichen Konsequenzen, allen voran große verteilungs­politische Aspekte, im Blick. Zu solch kontrovers diskutierten Themen gehört neben der Bankenrettung auch die Frage, ob man Managergehälter beschränken sollte.

Die andere Abgeordneten-Gruppe bringt sich dagegen kontinuierlicher ein und nimmt stärkeren Einfluss auf die technische Ausgestaltung der Vorschriften. In ihrer Argumentation gehen diese Abgeordneten weniger auf die wirtschaft­lichen Konsequenzen der Regulierung ein und beschäftigen sich vielmehr mit technischen Faktoren wie der Volatilität, die die Aussagekraft und Prognose­fähigkeit des Gewinns betrifft. Genau diese Abgeordneten-Gruppe weist jedoch starke Verbindungen zu wirtschaft­lichen Lobby­gruppen auf.

„Unsere Studien­ergebnisse belegen, dass wirtschaft­liche Interessen­gruppen in den USA durchaus in der Lage sind, abseits der Medienöffentlichkeit Einfluss auf die technische Regulierung zu nehmen und dadurch handfeste ökonomische Eigeninteressen durchzusetzen“, fasst der Studien­leiter Bischof zusammen. „Das ist kritisch zu beurteilen.“

Für ihre Studie haben die Forscher die öffentlichen Stellungnahmen aller 435 Abgeordneten des US-amerikanischen Kongress zu Themen rund um Regulierung analysiert – dar­unter ihre Fernseh- und Radiointerviews, Pressemitteilungen und Redebeiträge im Kongress. „Die Datenlage in den USA ist sehr gut und das amerikanische System ist vergleich­sweise vorbildlich darin, wie trans­parent über finanz­ielle Verbindungen berichtet wird“, begründet der BWL-Experte. Auch wenn in Europa vieles hinter verschlossenen Türen abläuft, sei davon auszugehen, dass solche Verbindungen zu Lobbyinteressen auch im europäischen Setting bestehen, so Bischof.

Originalpublikation:

Jannis Bischof, Holger Daske, and Christoph J. Sextroh:  Why do politicians intervene in accounting regulation? The role of ideology and special interests. Journal of Accounting Research (2020).  https://doi.org/10.1111/1475-679X.12300.

Zum SFB Trans­regio Accounting for Trans­parency

Der TRR 266 Accounting for Trans­parency ist ein überregionaler Sonderforschungs­bereich der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) der Universität Paderborn, der Humboldt-Universität Berlin und der Universität Mannheim sowie Forschenden von fünf weiteren Universitäten. Mit dem Projekt hat die DFG im Mai 2019 erstmalig einen Sonderforschungs­bereich mit einem reinen BWL-Schwerpunkt bewilligt. Das Team von mehr als 80 Forscherinnen und Forschern unter­sucht, wie Rechnungs­wesen und Besteuerung die Trans­parenz von Unter­nehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unter­nehmens­trans­parenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Ziel ist es, eine wirksame Regulierung für Unter­nehmens­trans­parenz und ein trans­parentes Steuer­system zu entwickeln. Mehr Informationen zum Projekt: www.accounting-for-trans­parency.de

Kontakt:
Prof. Dr. Jannis Bischof
Lehr­stuhl für ABWL und Unter­nehmens­rechnung
Universität Mannheim
Tel. +49 621 181-1629
E-Mail: jbischofmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel.: +49 621 181-1266
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de