Nur schlechte Nachrichten von der Börse? Neue Studie analysiert Börsenberichterstattung im heute-journal
Die Mannheimer Ökonomen Prof. Dr. Antonio Ciccone und Felix Rusche haben untersucht, ob Medien Negativnachrichten in der Berichterstattung bevorzugen. Die Studie zeigt eine große Diskrepanz: Die Berichterstattung über den Deutschen Aktien Index (DAX) im ZDF heute-journal ist überwiegend negativ – trotz positiver Tendenz am Aktienmarkt.
Pressemitteilung vom 24. April 2025
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In der öffentlichen Wahrnehmung herrscht häufig der Eindruck, dass Medien überwiegend über negative Ereignisse berichten. Doch eine pauschale Erklärung, wie etwa dass positive Entwicklungen als weniger relevant betrachtet werden, greift zu kurz.
In ihrer Studie untersuchten Ciccone und Rusche dieses Phänomen anhand der DAX-Berichterstattung im nahezu täglich erscheinenden ZDF heute-journal zwischen 2017 und 2024. In diesem Zeitraum wurde das meistgesehene Nachrichtenmagazin im deutschen Fernsehen über 1.800 Mal gesendet. An etwa 30 Prozent der Börsentage war auch die Tagesveränderung des DAX Thema der Sendung.
Trotz eines durchschnittlichen Anstiegs des DAX von rund sieben Prozent pro Jahr innerhalb des Untersuchungszeitraums – das entspricht einem täglichen Plus von etwa vier Indexpunkten – war die berichtete Tagesveränderung im heute-journal deutlich negativer: An Tagen mit DAX-Erwähnung im Börsenbericht lag die durchschnittliche Veränderung bei minus zehn Punkten. Damit weicht die Berichterstattung systematisch von der tatsächlichen Marktentwicklung ab. Während der reale DAX im Untersuchungszeitraum von 11.481 auf 16.000 Punkte stieg, fiel der fiktive ZDF-berichtete DAX auf 5.845 Punkte – ein fiktiver Rückgang von acht Prozent pro Jahr.
Warum negative DAX-Meldungen dominieren
Die Analyse von Ciccone und Rusche zeigt, dass für das heute-journal größere negative Entwicklungen etwas relevanter und berichtenswerter sind als gleichgroße positive Entwicklungen. Doch das Problem liegt nicht ausschließlich in der Selektion der Redaktion des Börsenberichts. Es gibt eine statistische Besonderheit am Aktienmarkt: Größere Verluste treten etwas häufiger auf als gleich große Kursgewinne. Gleichzeitig konzentriert sich die mediale Börsenberichterstattung vor allem auf starke Bewegungen – unabhängig von ihrer Richtung. Diese Kombination führt dazu, dass besonders große und häufig negative Veränderungen überproportional in den Fokus geraten. Das Ergebnis ist ein medial verzerrtes Bild der DAX-Entwicklung, das mit der tatsächlichen positiven Marktentwicklung nicht übereinstimmt.
Kleine Änderungen mit großer Wirkung
„Eine grundlegende Änderung der Berichterstattung wird kaum möglich sein. Doch schon kleine Anpassungen könnten das verzerrte Bild auflösen“, so Ciccone. So könnten Nachrichten-Redaktionen die tägliche Berichterstattung mit langfristigen Perspektiven verbinden – selbst wenn dies nur in knapper Form geschieht und auf Angebote verweist, die solche Perspektiven ausführlicher behandeln. Im direkten Bezug auf die DAX-Berichterstattung könnte schon ein zeitgleich eingeblendeter Börsenticker am Bildschirmrand einer Negativ-Berichterstattung entgegenwirken.
Die Studie
Ciccone, A. und Rusche, F. (2025). Reporting Big News, Missing the Big Picture? Stock Market Performance in the Media. MPI Collective Goods Discussion Paper, No. 2025/
Link zur Studie: https://ssrn.com/abstract=5216036
Kontakt:
Prof. Dr. Antonio Ciccone
Lehrstuhl für VWL, Makroökonomie und Finanzmärkte
Universität Mannheim
Telefon: +49 152 3436 8033
E-Mail: antonio.ciccone uni-mannheim.de
Fabio Kratzmaier
Forschungskommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-3298
E-Mail: fabio.kratzmaier uni-mannheim.de