Zwischen Schienen und Schreibtisch
Während andere Studierende in ihrem Nebenjob mit Zahlen jonglieren oder Nachhilfe geben, entdeckt Marleen Quurk Mannheim aus einer völlig neuen Perspektive: Die 26-Jährige arbeitet seit Sommer 2024 neben ihrem Management-Studium an der Uni Mannheim als Straßenbahnfahrerin.

Alle Signale beachten, die Fahrgäste im Blick haben und dabei stets den Zeitplan einhalten – „es ist schon um einiges anspruchsvoller als Auto fahren“, beschreibt Marleen Quurk ihren neuen studentischen Nebenjob. Im Frühjahr 2024 hat sich die Studentin des Mannheim Master in Management bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) als „studentische Wagenführerin“ beworben, wie sie offiziell bezeichnet wird. Nach einem zweimonatigen Intensivkurs in den Semesterferien sowie einer theoretischen und einer praktischen Prüfung war es im August dann so weit: Ihr erster Dienst stand auf dem Programm.
„Ich hatte großen Respekt davor, das erste Mal im regulären Betrieb eine Bahn zu steuern. Das Fahren mit Fahrgästen kannte ich bislang nur aus dem Simulator – lustigerweise wackeln sie aber genauso hin und her wie die virtuellen Passagier*innen“, erinnert sich Quurk lachend an ihre ersten Blicke in den Rückspiegel. Der Transport von „echten“ Menschen kann aber auch für Überraschungen sorgen: „An der Endhaltestelle kontrolliere ich das Fahrzeug immer nach Fundsachen. Einmal habe ich dabei einen schlafenden Fahrgast entdeckt, den ich aufwecken musste.“
Kommilitone dient als Inspiration
Mit dem Gedanken, sich um einen Job als Straßenbahnfahrerin zu bewerben, habe die 26-Jährige bereits seit einiger Zeit gespielt, berichtet sie. „In einem Seminar hat ein Kommilitone mal erzählt, dass er das nebenbei macht. Das ist mir im Kopf geblieben – und als ich dann die Ausschreibung der rnv gesehen habe, dachte ich: Jetzt wage ich es“, erzählt Quurk. Zuvor habe sie bereits einen Bürojob gehabt, aber: „Ich habe gemerkt, dass ich lieber raus gehen und unter Menschen sein möchte.“

Nun ist die gebürtige Lübeckerin seit einigen Monaten stolze Besitzerin eines Straßenbahnführerscheins. „Meine Ausbildung war ein Komplettpaket, sodass ich alle Straßenbahnen im Mannheimer Stadtgebiet fahren darf“, erklärt sie. Während der Vorlesungszeit übernimmt sie eine Schicht pro Woche, die bis zu acht Stunden dauert. „Wenn ich Frühdienst habe, starte ich zwischen drei und sechs Uhr morgens mit einem Fahrzeugcheck im Betriebshof, bevor es auf die Schienen geht.“
Mit ihrem Studium lässt sich dies laut Quurk gut vereinbaren. „Es ist ein toller Ausgleich zu den vielen Stunden, die ich sonst am Schreibtisch sitze.“ Auch thematisch gibt es Überschneidungen, „denn ich habe mich im Master auf den Schwerpunkt Nachhaltigkeit spezialisiert – ein Thema, das im öffentlichen Nahverkehr eine große Rolle spielt.“
Nach ihrem Abschluss möchte die Management-Studentin in der Start-up-Branche arbeiten, aber sie kann sich gut vorstellen, parallel weiterhin über Mannheims Schienen zu rollen. „Ich sehe es als ein zweites Standbein – und wer weiß: Vielleicht sitze ich irgendwann mal am Steuer der Deutschen Bahn“, sagt Quurk grinsend.
Text: Jessica Scholich / April 2025