Ein Bild der Universität Mannheim in einem Pfeil umgeben von weiteren bunten Pfeilen. In der Mtte steht der titel "Start-up Factory - Gründungsgeschichten an der Uni Mannheim".

Treye IT: Durch einen Blick zum Klick

Einen Computer nur anhand von Kopfbewegungen bedienen? Der Gründer und Mannheimer Alumnus Anton Wachner macht’s möglich: Mit seinem Start-up Treye IT und seiner eigens entwickelten Software FourWays können Menschen mit Behinderung ihre Laptops und Tablets nutzen – ohne dabei auf ihre Hände angewiesen zu sein.

Sich beim Online-Shopping von einer Website zur nächsten durchklicken, die Suchergebnisse hoch und r­unter scrollen oder per Rechts­klick schnell ein Dokument ausdrucken – was für viele selbstverständlich klingt, ist für Menschen mit einer körperlichen Behinderung oftmals schwer bis unmöglich. Denn die Bedienung von Laptops und Computern setzt voraus, dass die Nutzer*innen ihre Hände ohne Einschränkung bewegen können. Anton Wachner hat dafür eine Lösung entwickelt: FourWays, eine Software zur Steuerung des Mauszeigers durch Kopf- und Augenbewegungen.

Der 38-jährige Alumnus der Universität Mannheim ist selbst seit seiner Geburt schwerbehindert. „Ich kann meine Hände noch eingeschränkt nutzen, aber ich habe im Laufe meines Lebens viele Menschen kennengelernt, die das nicht mehr können“, erzählt er. Daraus entstand die Idee hinter seiner Software: „Im heutigen Zeitalter muss es doch möglich sein, einem Gerät beizubringen, mich nur anhand meiner Blicke zu verstehen.“ Dabei denke er insbesondere an die Menschen, die nicht mal eben mit ihren Freund*innen in den Club gehen oder eine Fahrradtour machen können. „Für sie ist es umso wichtiger, ihre sozialen Kontakte online zu pflegen“, so Wachner.

Zur Gründung seines Start-ups Treye IT, das zu diesem Zeitpunkt noch Treye Tech hieß und die Software FourWays vertreibt, ist es laut dem Wirtschafts­informatiker durch einen Zufall gekommen. Über eine Rundmail des Career Service der Uni Mannheim wurde er 2016 auf die Ausschreibung für einen Gründungs­wettbewerb aufmerksam: Die Consultingfirma BearingPoint rief Studierende dazu auf, nachhaltige und innovative Geschäfts­ideen vorzustellen. „Da dachte ich mir: Ideen habe ich eigentlich immer“, erzählt Wachner lachend. „Also habe ich gemeinsam mit vier Kommilitonen am Wettbewerb teilgenommen.“

Das Konzept war schnell entwickelt: Eine App, mit der das Smartphone rein durch Blicke gesteuert werden kann, sollte es werden. „Mehr als diese Idee gab es nicht, wir hatten noch nicht einmal etwas programmiert“, erklärt der Alumnus, weshalb sie sich keine großen Chancen auf den Sieg ausrechneten. Umso größer war daher die Über­raschung, als die fünf Mannheimer Studenten den ersten Platz des Wettbewerbs belegten.

Über Umwege zur Software

Angespornt durch den Sieg verfolgte der damalige Master­student seine Idee weiter – und gründete im Herbst 2017 sein IT-Start-up. „Leider wurde ziemlich schnell klar, dass die Ursprungs­idee in dieser Form nicht funktionieren wird“, gibt er zu. „Wenige Menschen möchten für Apps zahlen. Damals haben die Krankenkassen die Kosten für solche Anwendungen auch noch nicht übernommen.“

An seiner Idee hielt Wachner jedoch weiterhin fest und entwickelte daraus die Software FourWays für Computer, Laptops und Windows-Tablets, deren Steuerungs­logik er auch zum Patent anmeldete. „Durch die Installation wird jede Webcam in ein Eingabegerät verwandelt. Sie erkennt je nach Einstellung die Kopf- oder Augenbewegungen der Anwender*innen und steuert den Mauszeiger oder löst einen Mausklick aus“, erklärt der Gründer die Funktions­weise.

Solche Systeme gäbe es zwar auf dem Markt, aber nicht als reine Software-Lösungen, sondern in Form externer Geräte, die früher oder später ersetzt werden müssten, erläutert er. „Außerdem wird bei diesen ein Klick bereits ausgelöst, wenn man den Blick länger auf einem Punkt verweilen lässt, was schnell zu Stress führen kann.“ Wachners Software hingegen reagiere erst, wenn bestimmte, zuvor festgelegte Gesten ausgeführt werden.

Auf Feedback angewiesen

Nach mehreren Jahren der Entwicklung war es 2022 so weit: Wachner und sein inzwischen vierköpfiges Team von Treye IT brachten die Software auf den Markt und gewannen direkt die ersten Kund*innen. „Besonders freut uns, dass die Krankenkassen die Kosten bisher immer vollständig übernommen haben“, sagt der Mannheimer.

Im Gegensatz zu vielen anderen Produkten sei FourWays zum Zeitpunkt der Markt­einführung „noch lange nicht fertig“ gewesen, denn Wachner lege großen Wert auf das Feedback der Anwender*innen: „Wir entwickeln unser Programm stetig weiter und es schafft genau deshalb so einen Mehrwert für bisherige und künftige Nutzer*innen, weil sie uns mitteilen, was in der Praxis funktioniert – und was nicht.“ Daher sei sein Wunsch, mit vielen Pflege­einrichtungen zusammenzuarbeiten, deren Klient*innen ganz unter­schiedliche Voraussetzungen mitbringen.

Durch sein Wirtschafts­informatik-Studium an der Uni Mannheim hatte Wachner zwar das technische Know-How, beim Thema Unter­nehmens­gründung sah es aber ganz anders aus: „Wir haben unter anderem das Acceleratoren­programm Up2B von InnoWerft Walldorf, NEXT MANNHEIM und dem Technologiepark Heidelberg besucht, das uns dabei geholfen hat, aus unserer Schnapsidee ein Geschäfts­modell zu machen“, scherzt der Gründer. „Als frisch gebackener Absolvent hatte ich ja keinerlei Erfahrung, was Projekt­management oder Unter­nehmens­führung betrifft.“ Eines habe er während seines Studiums im Barockschloss aber gelernt: dranbleiben. „An der Uni musste ich mich oft durchbeißen und habe nicht aufgegeben, auch wenn ich von einem Thema zu Beginn keine Ahnung hatte. In der Start-up-Welt ist es genau das gleiche“, meint Wachner.

Investment durch Die Höhle der Löwen

Das Highlight seiner bisherigen Zeit als Gründer? Für Wachner eindeutig die Teilnahme an Die Höhle der Löwen im Sommer 2024. Bei dieser TV-Show stellen Gründer*innen ihre Ideen einer Jury vor und kämpfen um Investments – was in Wachners Fall von Erfolg gekrönt war: Unter­nehmer Carsten Maschmeyer sagte ihm sein Wunsch-Investment zu und unter­stützt Treye IT seitdem finanz­iell und ideell. „Das war wirklich einer der schönsten Momente bisher“, so der 38-Jährige.

Derzeit arbeitet das Team daran, die Ursprungs­idee der Smartphone-App zu realisieren: „Wir haben bereits einige Anfragen von Interessierten, die sie testen möchten“, sagt Wachner. Und auch ein langfristiges Ziel verfolgt er: „Ich wünsche mir, dass wir Markt­führer im Bereich der kontaktlosen Steuerung werden.“ Davon würden nicht nur Menschen mit Behinderung profitieren, denn seine Technik könne in der Öffentlichkeit vielerorts eingesetzt werden: „Wer fasst schon gern Bank- oder Fahrkartenautomaten an, die bereits von Tausenden Menschen berührt wurden? Letztendlich sollen möglichst alle Menschen unser System nutzen können – denn das ist es, was Inklusion bedeutet.“

Text: Jessica Scholich / April 2025

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Weitere Infos zu Treye IT gibt es auf der Website des Start-ups.