KI, die uns alle betrifft
Ein Interview mit Prof. Dr. Nadine Klass, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums und Medienrecht sowie Zivilverfahrensrecht an der Universität Mannheim.

FORUM: Was kann KI schon heute, was relevant für das Urheberrecht ist?
Klass: Generative KI-Systeme sind imstande, eindrucksvolle und vielfältige kreative Inhalte zu erschaffen, seien es Texte, Kunst, Musik, Spiele oder Designprodukte. OpenAI’s ChatGPT kann bspw. Geschichten schreiben, Gedichte verfassen oder einen Programmcode erstellen, Midjourney oder Dall-E neue Kunstwerke schaffen, Aiva klassische Musikstücke komponieren und Angelina eigenständige Spiele entwickeln. Die Systeme generieren die Inhalte auf Basis der Daten, mit denen sie trainiert wurden. Ideen aus dem Nichts können sie allerdings (noch) nicht erzeugen. Die Kreativität von Menschen, die Ausdruck von Bewusstsein, Intuition, Emotion sowie menschlichen Erfahrungen und Absichten ist, und die Fähigkeiten der KI unterscheiden sich daher zum jetzigen Zeitpunkt noch erheblich.
FORUM: Wann und wie kann generative KI das Recht, insbesondere das Urheberrecht verletzen? Und sind die KI-Erzeugnisse selbst schutzfähig?
Klass: Nicht nur die Nutzung von Werken zu Trainingszwecken, sondern auch die Verbreitung oder Veröffentlichung neuer Inhalte können das Urheberrecht im Einzelfall verletzen, bspw. dann, wenn die verbreiteten KI-Erzeugnisse erkennbar auf urheberrechtlich geschützten Werken aufbauen und keine Schrankenregelung greift. Daneben wird auch über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von sowie die Urheberschaft an KI-generierten Inhalten diskutiert, wobei weitgehend Einigkeit besteht, dass die mit einfachen Prompts erzeugten Ergebnisse mangels eines hinreichenden menschlichen Einflusses aktuell nicht als urheberrechtlich geschützte Werke angesehen werden können.
Letztlich stellen sich aber auch zahlreiche medienrechtliche Fragen. Gerade mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte Einzelner, die bspw. beim Einsatz von Fälschungen (sogenannten Deep Fakes) berührt sein können, sowie im Hinblick auf den demokratischen Diskurs – der angesichts schwindender Verlässlichkeit und der Zunahme von durch KI generierten Fake News immer stärker unter Druck gerät – bedürfen generative KI-Systeme und ihre Anwendungsbereiche zukünftig einer genauen Analyse und gegebenenfalls auch der Regulierung. Dies ist insbesondere wichtig, um einem Vertrauensverlust in der Kommunikation vorzubeugen. Dabei müssen nicht nur technische und rechtliche, sondern auch ethische Aspekte mitberücksichtigt werden, um einen umfassenden und ausgewogenen Blick auf die Implikationen von KI-Systemen zu gewährleisten.
FORUM: Gibt es bereits Überlegungen, wie man Urheberrechtsverletzungen der KI künftig rechtlich regeln möchte?
Klass: Vorgeschlagen wurde beispielsweise, der KI eine Art „elektronische Persönlichkeit“ zu verleihen, ausgestattet mit einer Haftungsmasse. Zudem werden Beweiserleichterungen sowie Transparenz- und Offenlegungspflichten diskutiert. Gleichzeitig wird der Wunsch nach einer tiefgreifenden Reform des Urheberrechts lauter, die einerseits neue Schutzrechtskategorien für von KI geschaffene Erzeugnisse einführt und andererseits das Training von KI mit urheberrechtlich geschützten Werken eindeutig klärt. Darüber hinaus wird auch eine Vergütungspflicht gefordert, die sicherstellen soll, dass die Urheber*innen an den Einnahmen, die KI-Systeme generieren, partizipieren. Pragmatische Lösungen, wie lizenzierte Verträge, könnten nicht zuletzt klare Rahmenbedingungen für die Nutzung von Inhalten durch KI festlegen, um sowohl Rechtssicherheit als auch einen verantwortungsbewussten Umgang mit KI-Technologien zu gewährleisten. Eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen an die technologische Entwicklung erscheint jedenfalls unerlässlich ist und wird sicherlich ein Kernpunkt zukünftiger Debatten und legislativer Bemühungen sein.
Text: Katja Bauer, Jule Leger/