Eine blaue Tasse, auf der mehrere Zahlencodes stehen.

KI, die uns alle betrifft

Ein Interview mit Prof. Dr. Georg W. Alpers, Lehr­stuhl­inhaber für Biologische und Klinische Psychologie und Psychotherapie und Direktor des Otto-Selz-Instituts, wo er die Psychologische Ambulanz leitet.

FORUM: Was sind die wichtigsten Errungenschaften durch KI in der Psychologie, die heute schon angewendet werden?

Alpers: Viele Teildisziplinen der Psychologie nutzen und erforschen KI. In unserer Arbeits­gruppe haben wir KI erfolgreich eingesetzt: 1. Zur automatischen Erkennung des Emotions­ausdrucks im Gesicht, mit dem Ziel der Weiter­entwicklung einer video­basierten Forschungs­methode. 2. Zur Vorhersage psychischer Probleme in längsschnittlichen Daten, um Risikofaktoren zu identifizieren und Prävention psychischer Erkrankungen zu ermöglichen. 3. Es ist uns gelungen, mit Machine Learning den Therapieerfolg in unserer Psychotherapeutischen Ambulanz zuverlässig aus Basisdaten der Patienten vorherzusagen, dies ermöglicht es, die Intervention an individuelle Bedarfe der Patienten anzupassen. 4. Wir erproben derzeit den Einsatz generativer Chat­programme für die niedrigschwellige Unter­stützung neben der Psychotherapie.

FORUM: Was sind dabei die größten Herausforderungen?

Alpers: Für uns ist es natürlich eine riesige Herausforderung, bei der rasanten Methoden­entwicklung mitzuhalten. KI-Anwendungen sind ja erstmal kein regulärer Bestandteil unseres Studiums, und mein Team muss daher ständig von anderen Disziplinen lernen. Das macht uns aber auch viel Freude! Es ist uns wichtig, zu verstehen, was eine KI genau macht; nur weil sie mächtig ist, dürfen wir den Analysen, Empfehlungen und Handlungs­anweisungen keineswegs blind vertrauen. Es ist ein stückweit ironisch, dass einige Befunde bei KI ähnliche „Vorurteile“ finden, wie bei menschlicher Intelligenz. Es gilt also, nicht in solche Fallen zu tappen. Die Psychologie wird sich in Zukunft auch viel mit der Akzeptanz dieser neuen Technologien in der Bevölkerung beschäftigen müssen.

FORUM: Wie sieht die Zukunft in der Psychologie mit KI aus?

Alpers: Psychologie bleibt auch in Zukunft die Wissenschaft über den Menschen. Für KI sehe ich in der Forschung wie auch in vielen Anwendungs­gebieten unglaublich großes Potential, vor allem wenn es um umfangreiche Datensätze und Routine­anwendungen geht. Ob KI einmal die Arbeit von Psychotherapeuten ersetzen könnte, habe ich auch ChatGPT schon direkt gefragt: Die Anwendung und ich wurden uns schnell einig, dass es viele denkbare Anwendungen gibt, durch die KI unsere Arbeit ergänzen oder unter­stützen kann, z.B. im diagnostischen Bereich. Klar wurde in dem Interview aber ebenfalls, dass auch generative KI das therapeutische Gespräch und die Interaktion zwischen Menschen nicht ersetzen können wird. Ich bin gespannt auf die Zukunft mit KI.

Text: Linda Schädler, Jule Leger/Dezember 2023