Wer digitalisiert die Uni?
Anträge online stellen, Seminare von zuhause aus besuchen oder Prüfungen am eigenen Laptop schreiben – an der Universität Mannheim ist bereits vieles digital möglich. Doch wer kümmert sich darum, dass der Uni-Alltag immer digitaler wird? Im FORUM stellen wir diese Expert*innen und ihre aktuellen Projekte vor.
Klausurenphase im Juni 2023. Mehr als 200 Studierende sitzen aufgeregt im A3-Hörsaal. Auf sie wartet eine 90-minütige Klausur in Externem Rechnungswesen. Doch etwas ist anders: Menschen in orangen und gelben Warnwesten laufen zwischen den Reihen umher. Und auf den Tischen liegen nicht wie sonst Papierstapel und Kugelschreiber – sondern Laptops. Der Grund: Zum ersten Mal findet an der Uni Mannheim eine Prüfung statt, bei der die Studierenden ihre eigenen Laptops nutzen dürfen.
„Bei dieser ‚Bring your own device‘-Prüfung werden die Aufgaben auf der Online-Prüfungsplattform der Uni bearbeitet, dem Prüfungs-ILIAS. Das erleichtert sowohl das Schreiben der Klausuren als auch ihre Korrektur“, erklärt Melanie Klinger, Leiterin des Zentrums für Lehren und Lernen (ZLL). Gemeinsam mit ihrer Kollegin Svenja Böhn und Alexander Holzer aus dem Dezernat für Studienangelegenheiten hat sie sich um die Einführung des Prüfungsformats an der Uni gekümmert. Im Frühjahrs-/Sommersemester haben es rund 800 Studierende in drei Klausuren getestet.
Die „Bring your own device“-Prüfungen sind laut Holzer relativ sicher vor Betrug. Demnach haben alle Studierenden im Vorfeld einen Safe-Exam-Browser auf ihren Laptops installiert – also einen Browser, der eigens für Online-Prüfungen programmiert wurde. „Sobald die Studierenden diesen starten, können sie nicht mehr auf andere Anwendungen zugreifen. Der Browser kann auch nicht minimiert, sondern nur geschlossen werden – was zum Abbruch der Prüfung führt“, berichtet Holzer.
Im Vorfeld der Prüfungen hat das Organisationsteam Vorkehrungen getroffen: Beratungstermine, Test-Prüfungen und ein Laptopverleih für Studierende, die nicht mit ihren eigenen Geräten zur Prüfung antreten wollten. „Während der Klausuren hat alles funktioniert. Weder die WLAN-Verbindung noch die Plattform ist abgestürzt. Davor hatten wir schon ein wenig Angst“, erzählt Böhn. „Wir waren aber auch auf solche Probleme vorbereitet. Die Plattform macht alle 30 Sekunden eine Zwischenspeicherung, sodass die Antworten bei einem Systemabsturz nicht verloren sind. Außerdem gab es ein Ersatz-WLAN, Powerbanks und es waren Mitarbeitende der Universitäts-IT anwesend.“ Um die Ansprechpartner*innen für fachliche oder technische Fragen auf den ersten Blick unterscheiden zu können, trugen sie verschiedenfarbige Warnwesten.
Und wie soll es weiter gehen? „Das Feedback vieler Studierender war positiv“, so Böhn. „Es gab aber auch einige, die Kritik geäußert haben – zum Beispiel an der Geräuschkulisse durch das Tippen.“ Holzer ist trotzdem optimistisch: „Wir werden nun einfach schauen, was nächstes Mal besser laufen kann.“ Und ein nächstes Mal wird es geben: „Es haben sich schon mehrere Interessierte gemeldet, die ihre Prüfungen ebenfalls im ‚Bring your own device‘-Format anbieten wollen“, freut sich Klinger.
Ohne eine Einrichtung wären diese Prüfungen nicht möglich: die Universitäts-IT (UNIT). Ihre rund 120 Mitarbeitenden sind in alles involviert, was an der Uni Mannheim mit Digitalisierung zu tun hat. So hat die UNIT das Prüfungs-ILIAS und den Safe-Exam-Browser eingerichtet, ohne welche die „Bring your own device“-Prüfungen nicht umsetzbar wären. Zudem hat sie Räume auf dem Campus mit Kameras für die Hybridlehre ausgestattet. Aktuell führt die UNIT digitale Studierendenakten und ein neues Campusmanagement-System, mit dem Studierende viele Anträge digital stellen können, ein.
Weitere große Erfolge waren die Umstellung auf elektronische Rechnungen sowie die Einführung von Microsoft Office 365 und einem einheitlichen E-Mail-System für alle Angehörigen der Universität. Derzeit arbeitet das Team daran, dass Mitarbeitende ihre Dienstreisen digital beantragen können und sie mit einem Online-Telefonsystem künftig auch im Home-Office telefonisch erreichbar sind. Zeitnah soll die digitale Abwesenheitsverwaltung (Krankheit und Urlaub) für alle Beschäftigte ausgerollt werden und die Arbeitszeiterfassung auf alle nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten ausgeweitet werden.
Bevor die UNIT digitale Systeme einführen kann, muss allerdings zunächst festgestellt werden: Welche Prozesse gibt es überhaupt – und wie können sie künftig vereinfacht werden? Dafür hat die Uni Mannheim im Herbst 2022 das Programm WANDELdigital ins Leben gerufen. Elf Digitalisierungsreferent*innen arbeiten seitdem gemeinsam mit Programmkoordinator Sascha Adam daran, bis zum Jahr 2027 möglichst viele Verwaltungsabläufe von Anfang bis Ende zu digitalisieren.
„Momentan gibt es einige Medienbrüche. Viele kennen es: Ein Formular wird ausgedruckt und unterschrieben, eingescannt und per E-Mail versandt, nur um dann wieder ausgedruckt und abgeheftet zu werden. So etwas wollen wir vereinfachen“, erklärt Adam den Hintergrund von WANDELdigital. Um herauszufinden, in welchen Bereichen Bedarf besteht, hat das Team in den letzten Monaten rund 150 Interviews mit Mitarbeitenden der Universität geführt. Daraus haben sie verschiedene Digitalisierungsprojekte abgeleitet. „Wir gehen die dringendsten Prozesse zuerst an – also zum Beispiel solche, die täglich oder wöchentlich ablaufen, viele Personen betreffen und in denen die Kolleg*innen ein besonderes Potential zur Verbesserung sehen“, so Adam. Projekte, an denen WANDELdigital bereits arbeitet, sind unter anderem die digitale Unterschrift bei Vertragsabschlüssen und ein Prozess, um neuen Mitarbeitenden einen reibungslosen Start zu ermöglichen.
Neben Projektideen braucht es aber vor allem Personal, das diese in die Tat umsetzt – und das ist in der IT-Branche aktuell ein großes Problem. „Wir spüren den Fachkräftemangel sehr. Das ist schwierig in einer Zeit, in der der Bedarf an neuen digitalen Angeboten und damit verbundenen Supportanfragen steigt“, erklärt Kerstin Bein, die gemeinsam mit Alexander Pfister die UNIT leitet. „Wir überlegen deshalb, ob wir in Zukunft eine Künstliche Intelligenz einsetzen, die beispielsweise Fragen im zentralen IT-Support beantwortet.“
Bald steht außerdem ein Umzug für die UNIT an: Vor A5 wird in den kommenden Jahren ein neues Gebäude gebaut, das den neuesten technischen und energetischen Anforderungen entspricht. „Wir schaffen darin einen modernen und sehr sicheren Serverraum. Außerdem legen wir großen Wert auf flexibles Arbeiten: Es wird verschiedene Bürogrößen geben, Fokusräume und als Herzstück eine große Treppe mit Sitzmöglichkeiten“, berichtet Pfister von den Plänen der UNIT. Und Bein ergänzt zwinkernd: „Vielleicht ist das dann auch ein Argument für Arbeitssuchende, sich bei uns zu bewerben.“
Text: Jessica Scholich/
Mehr über elektronische Prüfungen an der Uni Mannheim lesen Sie hier: https://www.uni-mannheim.de/infos-fuer/forschende-und-lehrende/lehren/pepp/
Mehr über aktuelle Projekte der UNIT lesen Sie hier: https://www.uni-mannheim.de/it/projekte/
Mehr über das Projekt WANDELdigital erfahren Mitarbeitende im Intranet: https://intranet.uni-mannheim.de/organisation/wandeldigital/