Ein Gewächshaus voller Medaillen
Alexandra Burghardt ist eine von nur zwei deutschen Sportlerinnen, die sowohl bei Sommer- als auch bei Winterspielen eine olympische Medaille gewonnen hat. Im FORUM stellen wir die Alumna der Uni Mannheim vor.

Deutsche Meisterin im 60-Meter-Sprint in der Halle 2025, Bronzemedaille in der 4-mal-100-Meter-Staffel bei den Olympischen Spielen in Paris 2024, Goldmedaille bei den Europameisterschaften in München 2022 und Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften 2022 in Eugene ebenfalls in der Staffel – die Liste der Sprinterfolge von Alexandra Burghardt ließe sich noch weit fortführen. Dazu kommt eine Silbermedaille im Zweierbob bei den Olympischen Spielen in Peking 2022.
„Ich war schon öfter gefragt worden, ob ich mir den Bobsport vorstellen könnte, und damals hat es einfach gepasst“, erzählt Burghardt. Im Sommer 2021 wurde sie Deutsche Meisterin, lief persönliche Bestzeit und erfüllte sich mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio einen Kindheitstraum. Kurz darauf folgten Anschubtest, Weltcup, Olympia – und die Medaille im Zweierbob. Während ihrer Zeit im Eiskanal lernte sie viel Neues: Kufen schleifen, Aerodynamik optimieren, sich Bahnverläufe einprägen. „Ich hatte am Anfang schon ein bisschen Bammel, aber ich wusste, dass Mariama Jamanka die beste Pilotin der Welt ist“, berichtet Burghardt. „Wenn man eine fehlerlose Fahrt hat ohne Bandenberührungen, dann macht es richtig Spaß. Wenn man viele Banden erwischt, dann tut es allerdings auch richtig weh und man bekommt viele blaue Flecken.“ Die blauen Flecken sind aber nicht der Grund, warum es bei dem einmaligen Ausflug in den Eiskanal blieb: „Es war von Anfang an klar, dass nach Olympia Schluss ist.“ Seither liegt der Fokus der Athletin wieder ganz auf dem Sprint.
Die gebürtige Bayerin kam mit 19 Jahren nach Mannheim, um sich der Trainingsgruppe um Europameisterin Verena Sailer anzuschließen – und mit Unterstützung des Spitzensportstipendiums Metropolregion Rhein-Neckar zu studieren. Anfangs hatte sie Heimweh. „Aber als es Zeit war zu gehen, war ich sehr wehmütig. Ich habe die Stadt unglaublich ins Herz geschlossen und im Schloss zu studieren, das ist schon etwas sehr Besonderes“, sagt die Alumna. 2019 machte sie ihren Abschluss im Bachelor Kultur und Wirtschaft. „Ich wurde im Studium rundum unterstützt“, erinnert sie sich. „Die Uni war stolz auf meine sportlichen Leistungen und wollte mir den Abschluss ermöglichen, auch wenn ich natürlich nicht Vollzeit studieren konnte.“ Der Abschluss gibt ihr große Sicherheit: „Wenn meine Karriere morgen endet, kann ich eine Bewerbung schreiben und arbeiten gehen. Das ist ein großes Geschenk.“
„Schönster Moment meiner Laufbahn“
Heute lebt und trainiert Burghardt in Altötting in Bayern. Im Videocall aus ihrer „Homebase“ berichtet sie offen von Erfolgen – aber auch von schwierigen Phasen. „Ich mache Leichtathletik, seit ich neun Jahre alt bin. Durch meine Größe wirkt viel Kraft auf die Gelenke. Ich hatte immer wieder Verletzungen.“ Die Covid-Pandemie wurde für sie zur Chance: Sie konnte in Ruhe ihre Verletzungen auskurieren und hatte aufgrund der Verschiebung um ein Jahr trotzdem die Möglichkeit, sich ihren großen Traum von Olympia in Tokio zu erfüllen. Dort schied sie zwar im Halbfinale aus, gewann aber den Vorlauf mit der zweitbesten Zeit ihrer Karriere. „Nachdem ich in Rio nur Ersatz war, waren die 100 Meter in Tokio der schönste Moment meiner Laufbahn“, sagt sie. Dann lacht sie: „Aber die Medaillen waren natürlich auch sehr schön.“
Und noch etwas brachte die Pandemie mit sich: eine neue Leidenschaft. „Ich hatte ein eigenes kleines Gewächshaus mit Pflanzen-Ablegern“, erzählt sie. Nach dem Ende des Lockdowns war sie so viel unterwegs, dass viele eingingen. Heute dient das Gewächshaus einem neuen Zweck: „Es ist ein Medaillen- und Trophäenschrank geworden.“
Gefragt nach ihren nächsten Zielen, wird deutlich, wie sehr die Athletin in sich ruht: „Ich gucke von Jahr zu Jahr. Ich will Spaß haben, Entscheidungen treffen, hinter denen ich stehen kann, und vor allem gesund bleiben – dann kommen die Bestzeiten von selbst.“ Und sicher auch weitere Medaillen, die ihren Platz im Gewächshaus finden werden.
Text: Dr. Maartje Koschorreck / August 2025