In aller Munde – Demokratieforschung an der Uni Mannheim

Um das Thema „Demokratieforschung“ zu bebildern, sind wir hinauf unters Dach des Mannheimer Schlosses gestiegen – in den Antikensaal. Denn ebenso wie die Idee der Demokratie verweisen auch die dort versammelten Statuen und Büsten auf die Antike. Es sind Gipsabgüsse antiker Vorbilder und damit die perfekte Grundlage für die Foto-Collagen in diesem Heft. Porös und leicht verstaubt stehen die Gipsfiguren dort, manchen fehlen Hände oder Finger. Sorgfältig putzt Grafiker Ulrich Ambach den Demokratievordenker Solon und seine Gefährt*innen mit dem Staubwedel heraus – für die Fotos werden sie auf Hochglanz gebracht.
Und wie steht es um die Demokratie heute? Porös, staubig, um ein paar Gliedmaßen ärmer? Weiter unten im Barockschloss gehen Mannheimer Forschende dem aktuellen Zustand auf den Grund. An allen Fakultäten finden sich Projekte, die sich mit Demokratie beschäftigen und diese aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Der Gegenstand ist derselbe, die Fragestellungen und Methoden hingegen könnten kaum vielfältiger sein: Wie viel Unklarheit hält Demokratie aus? Wie rassistisch sind unsere Medien? Wie steht es um die Meinungsfreiheit in Deutschland? Sind Demokratie und Grundrechte ein untrennbares Duo? Und wie weit fortgeschritten sind die Pläne neurechter Bewegungen, ein alternatives Bildungssystem aufzubauen?
Von der Juristin über den Medienwissenschaftler bis hin zum Politologen: Zwölf Forschende nehmen uns in diesem Heft mit, berichten von finalen und vorläufigen Ergebnissen, von Umfragewerten, die sie erschreckt oder überrascht haben, und von gescheiterten Vorhaben. Ein einfacher Gegenstand ist die Demokratie nicht, denn hier „wird am offenen Herzen geforscht“, wie Demokratieforscher Prof. Dr. Richard Traunmüller es treffend beschreibt. Aber lesen Sie selbst!
Über den Mannheimer Antikensaal
Prof. Dr. Christian Mann ist Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte. Er erforscht die griechische und römische Geschichte in ihren langen Traditionslinien, die bis zur heutigen Gesellschaft reichen, und erklärt uns im Folgenden, was der Mannheimer Antikensaal mit der Demokratie zu tun hat.

FORUM: Die antiken Griech*innen haben uns ein beachtliches Erbe hinterlassen. Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung genau damit. Und genau wie die Demokratie, mit der sich dieses Heft inhaltlich auseinandersetzt, verdanken wir auch die Figuren aus dem Mannheimer Antikensaal der Antike. Erklären Sie uns doch einmal: Was ist seine Geschichte und was macht ihn so besonders?
Prof. Dr. Christian Mann: Friedrich Schiller rühmte den Mannheimer Antikensaal dafür, dass er allen Interessierten offenstand und nicht nur den Gästen des Kurfürsten. Daran knüpft der heutige Antikensaal an, der ebenfalls frei zugänglich ist. Unter den ausgestellten Skulpturen befindet sich auch eine Büste des athenischen Gesetzgebers Solon (ca. 640 bis 560 v. Chr.). In seinen Schriften finden sich die gedanklichen Voraussetzungen für die Entstehung der Demokratie: Die gute Ordnung in einem Staat hängt nicht von den Göttern ab, dafür müssen die Menschen selbst sorgen. Und alle müssen mithelfen, damit der Staat gut regiert wird. Denn eine schlechte Regierung schadet allen – auch denjenigen, die sich ins Private zurückziehen.
Die Ursprünge der Mannheimer Abguss-Sammlung liegen nicht in der Kurpfalz, sondern in Düsseldorf, wo die Pfalz-Neuburger*innen schon im frühen 18. Jahrhundert residierten und Herzog Johann Wilhelm mit dem Ankauf von Abgüssen aus ganz Europa begann. Mit seinem jüngeren Bruder Karl Philipp, der die Residenz nach Mannheim verlegte, kamen sie dann in die Kurpfalz. Erst aber mit der Einrichtung der Zeichenakademie durch Hofarchitekt Peter Anton von Verschaffelt wurden die Statuen auch öffentlich präsentiert.
Die bedeutende Sammlung diente damals der Ausbildung von jungen Künstler*innen, zog aber auch Intellektuelle und Prominenz aus ganz Europa an, unter ihnen Goethe, Schiller, Herder und Lessing. Mit der kurfürstlichen Residenz stand und fiel die Sammlung: Als Karl Theodor von der Pfalz 1778 die bayerische Kurwürde antrat und nach München übersiedelte, nahm er auch die Abgüsse mit. Erst seit den 1970er Jahren gelang es dem Mannheimer Archäologen Wolfgang Schiering sukzessive wieder, neue Abgüsse zu erwerben, um die alte Sammlung zumindest teilweise neu erstehen zu lassen. Sie wird seit 1991 im Schloss präsentiert.
Aufgrund von Baumaßnahmen wurden die Statuen Ende 2013 vom Westflügel an ihren jetzigen Standort versetzt. Im Rahmen eines Projektseminars entstand eine Neupräsentation der Ausstellung, daran beteiligt waren 20 Geschichtsstudierende unter der Leitung von Prof. Dr. Hiram Kümper, Prof. Dr. Christian Mann und Dr. Astrid Reuter (Kunsthalle Karlsruhe).
Text: Jule Leger / August 2025