Das Mannheimer Barockschloss und der Ehrenhof unter blauem Himmel.

Steiniger Weg zu mehr Bildungs­gerechtigkeit in Subsahara-Afrika

Welche Chancen haben Kinder in Afrika südlich der Sahara, eine Primarschule zu besuchen und diese auch abzuschließen? Eine aktuelle Studie der Mannheimer Soziologin Prof. Dr. Ilze Plavgo zeigt, dass das Bildungs­system in diesen Ländern wenig Durchlässigkeit zeigt. Der Bildungs­grad der Eltern hat immer noch einen maßgeblichen Einfluss auf die Bildungs­chancen der Kinder. Faktoren wie Unter­ernährung, Kinderreichtum und geringe öffentliche Ausgaben für Bildung und Lehr­personal behindern die Bildungs­gerechtigkeit.

Pressemitteilung vom 13. Dezember 2023
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Die Jahrtausendwende markierte eine bedeutende Veränderung im afrikanischen Bildungs­sektor. Zwischen 2000 und 2015 verzeichneten die meisten afrikanischen Länder südlich der Sahara (SSA-Länder) ein nachhaltiges Wirtschafts­wachstum mit Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von jährlich über fünf Prozent. Gleich­zeitig drängte die internationale Gemeinschaft verstärkt darauf, allen Kindern Zugang zu zumindest grundlegender Schulbildung zu ermöglichen. In einer kürzlich in der Zeitschrift Sociology of Education erschienen Studie unter­sucht die Mannheimer Soziologin Prof. Dr. Ilze Plavgo gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Fabrizio Bernardi von der UNED Madrid, ob und wo die Bildungs­expansion des frühen 21. Jahrhunderts tatsächlich zu einer Angleich­ung der Bildungs­chancen geführt hat.

Die Forschenden werteten Daten aus 153 Erhebungen aus 40 Ländern im Zeitraum von 1990 bis 2017 aus. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Ungleich­heit beim Besuch der Primarschule abgenommen hat – da insgesamt mehr Kinder aus unteren sozialen Schichten eingeschult wurden. Allerdings blieb die Ungleich­heit beim Abschluss von insgesamt mindestens 6 Jahren in der Primarschule weitgehend bestehen. Eine zunehmende Durchlässigkeit der sozialen Schichten lässt sich in den meisten der unter­suchten Länder nicht erkennen. Nach wie vor ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder von Eltern, die selbst eine höhere Bildung haben, die Primarschule abschließen, höher als dies bei Kindern von Eltern mit geringerer Bildung der Fall ist. Ausnahmen zeigen die Ergebnisse aus Äthiopien, Namibia und Sierra Leone, wo ein Rückgang der Ungleich­heit zu erkennen ist.

Länder­übergreifende Analysen zeigen große Unter­schiede bei den Ungleich­heits­niveaus und -trends. „Wir haben uns angeschaut, welche Rolle verschiedene kontextabhängige nationale Faktoren in Bezug auf die Erklärung der Unter­schiede bei der Bildungs­gerechtigkeit spielen. Dabei lässt sich feststellen, dass Unter­gewicht, die Fruchtbarkeits­rate, Schulgebühren, die öffentlichen Bildungs­ausgaben und das Verhältnis von Schüler*innen zu Lehr­kräften systematisch die Unter­schiede zwischen den SSA-Ländern erklären“, erläutert Plavgo.

Während des unter­suchten Zeitraums wurden in den SSA-Ländern die finanz­iellen Hindernisse für den Zugang zur Primarschulbildung teilweise beseitigt und die Fertilitätsraten gingen leicht zurück, was zu einer moderaten Verbesserung der verfügbaren Haushalts­mittel führte. Die Gesundheits- und Ernährungs­lage verbesserte sich im Durchschnitt. Die ermittelten Trends deuten jedoch darauf hin, dass die Ungleich­heit beim Besuch der Primarschule zwar abnahm, die demografischen und institutionellen Veränderungen in den meisten Ländern jedoch nicht ausreichten, um einen deutlichen Rückgang der Ungleich­heit beim Abschluss der sechsjährigen Primarschule zu bewirken.

„Eine wichtige politische Schlussfolgerung aus unseren Analysen ist, dass die Bekämpfung des materiellen Mangels und höhere öffentliche Investitionen in Schul- und Unter­richtsressourcen der Schlüssel zur Verringerung der Ungleich­heit beim Primarschul­abschluss in dieser Region sind“, bilanziert Plavgo.

Ilze Plavgo hat seit August 2023 die Junior­professur für Soziologie des Wohlfahrtsstaates an der Fakultät für Sozial­wissenschaften der Universität Mannheim inne. Davor war sie Forschungs­stipendiatin am Europäischen Hochschul­institut in Florenz und Politikanalystin im UNICEF-Forschungs­büro. Ihre Forschungs­schwerpunkte sind Sozialpolitik, Armut und gesellschaft­liche Schichtenbildung sowie Ungleich­heit in den Bereichen Bildung und Arbeits­markt.

Link zur Studie: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/00380407231210279

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Kontakt:
Prof. Dr. Ilze Plavgo
Universität Mannheim
Tel. +49 621 181-2506
E-Mail: ilze.plavgomail-uni-mannheim.de
Hinweis: Frau Plavgo spricht Englisch.

Katja Bauer
Stellv. Pressesprecherin
Universität Mannheim
E-Mail: katja.bauermail-uni-mannheim.de