Das Mannheimer Barockschloss und der Ehrenhof unter blauem Himmel.

Studie zu finanz­ieller Bildung in Deutschland: Viele Angebote, aber mit fraglicher Wirkung

Die Finanz­bildungs­forscherin Prof. Dr. Carmela Aprea hat zusammen mit ihrer Doktorandin Merve Suna, M.Sc. in einer Studie das Angebot an außerschulischer finanz­ieller Bildung in Deutschland unter­sucht. Das Ergebnis: Es gibt viele Angebote. Die wenigsten knüpfen allerdings an wissenschaft­liche Er­kenntnisse an und ihre Wirksamkeit ist fraglich.

Pressemitteilung vom 19. November
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Die Bedeutung finanz­ieller Bildung ist in den letzten Jahren stark gewachsen, vor allem im Hinblick auf die aktuelle Debatte um eine ausreichende Altersvorsorge und die finanz­ielle Teilhabe von Menschen aus finanz­iell prekären Verhältnissen. Laut einer neuen Studie von Prof. Dr. Carmela Aprea und Merve Suna, M.Sc. vom Mannheim Institute for Financial Education (MIFE) an der Universität Mannheim gibt es in Deutschland bereits zahlreiche Finanz­bildungs­angebote. Diese stammen von unter­schiedlichsten Akteur*innen – von privatwirtschaft­lichen Unter­nehmen über Non-Profit-Organisationen bis hin zu öffentlichen Einrichtungen wie der Deutschen Bundes­bank.

Die Bestandsaufnahme der Studie zeigt jedoch, dass sich die meisten Angebote auf bestimmte Ziel­gruppen, wie Schüler*innen, junge Erwachsene und wohlhabende Frauen, konzentrieren. Andere Bevölkerungs­gruppen, insbesondere Menschen in prekären Lebens­lagen, Geflüchtete oder ältere Menschen, werden kaum berücksichtigt. Auch Themen wie digitale Finanz­produkte oder komplexere Finanz­entscheidungen finden nur selten Beachtung. Diese Ungleich­verteilung der Ziel­gruppen und Inhalte führt zu Lücken in der Finanz­bildung und verhindert eine flächendeckende Wirkung. „Qualitativ hochwertige Finanz­bildung sollte für alle Menschen zugänglich sein, unabhängig von ihrem sozialen oder wirtschaft­lichen Status. Im Sinne der Teilhabe sollten dabei insbesondere auch benachteiligte Gruppen erreicht werden, um sie darin zu unter­stützen, finanz­ielle Stabilität zu erreichen, sich vor Verschuldung zu schützen und ihre wirtschaft­lichen Aussichten zu verbessern“, so Aprea.

Die Studie hebt hervor, dass viele der existierenden Programme kurzfristig und vorwiegend nur informations­vermittelnd sind. Wissenschaft­liche Er­kenntnisse werden selten in die Gestaltung einbezogen, und fundierte Evaluations­maßnahmen zur Wirksamkeit der Angebote fehlen weitgehend. Zudem zeigt sich, dass insbesondere privatwirtschaft­liche Anbieter*innen, die Finanz­bildung als Geschäfts­feld betreiben, ihre Programme oft mit Verkaufs­strategien vermischen. Diese Vermischung bewertet die Studie als problematisch, da es bei Finanz­bildung nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um den Aufbau von Vertrauen in die vermittelnden Institutionen geht. Inhaltlich dominieren in den unter­suchten Programmen Themen wie Sparen und Investieren, während langfristige Finanz­entscheidungen, wie die Altersvorsorge oder die Absicherung von Lebens­risiken, seltener behandelt werden. Nicht-kognitive Aspekte wie etwa Werthaltungen oder Emotionen, die Finanz­entscheidungen stark beeinflussen, kommen ebenfalls zu kurz. Hier sieht die Studie erhebliches Verbesserungs­potenzial. „Bei Finanz­entscheidungen geht es immer auch darum, was jemand unter einem guten Leben versteht. Diese Vorstellungen sind unter den Menschen unter­schiedlich ausgeprägt. Gute Finanz­bildung sollte hier Reflexion anregen“, erläutert Co-Autorin Suna.

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse formulieren die Autorinnen konkrete Vorschläge für die Weiter­entwicklung der Finanz­bildung in Deutschland. Zentrale Empfehlungen sind die stärkere Koordinierung und Qualitätssicherung der Bildungs­angebote sowie die Entwicklung eines umfassenden Kompetenz­modells, das eine systematische Verankerung finanz­ieller Bildung in der Gesellschaft ermöglicht. Kooperationen zwischen unter­schiedlichen Anbieter*innen könnten zudem die Effizienz steigern und Über­schneidungen vermeiden.

Die Studie „Finanz­bildungs­angebote in Deutschland: Bestandsaufnahme, kritische Würdigung und Perspektiven für die nationale Strategie­entwicklung“ finden Sie hier:  https://zfoeb.de/artikel/view/100

Das Mannheim Institute for Financial Education
Das Mannheim Institute for Financial Education (MIFE) ist eine gemeinsame Initiative der Universität Mannheim und des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschafts­forschung (ZEW) und widmet sich der umfassenden Erforschung von Fragen rund um „Finanz­ielle Bildung“. Dabei stützt es sich auf die Expertise eines interdisziplinären Teams, das aus Forschenden beider Institutionen besteht. Das MIFE ist darüber hinaus eng vernetzt mit thematisch einschlägigen Personen und Institutionen aus Wissenschaft, Politik und Praxis im In- und Ausland.

Kontakt:
Prof. Dr. Carmela Aprea
Mannheim Institute for Financial Education
Universität Mannheim
E-Mail: carmela.apreamail-uni-mannheim.de

Fabio Kratzmaier
Forschungs- und Nachhaltigkeits­kommunikation
Universität Mannheim
E-Mail: fabio.kratzmaiermail-uni-mannheim.de