Das Mannheimer Barockschloss und der Ehrenhof unter blauem Himmel.

GBP-Monitor Oktober: Deutsche Unter­nehmen skeptisch gegenüber Bürokratieentlastungs­gesetz – Mehrheit erwartet keine spürbare Entlastung

Mit zahlreichen gesetzlichen Neuerungen will die Bundes­regierung die deutsche Wirtschaft entlasten. Laut den aktuellen Ergebnissen des German Business Panels (GBP) zeigen sich Unter­nehmen in Deutschland jedoch verhalten, was die Aus­wirkungen des Vierten Bürokratieentlastungs­gesetzes (BEG IV) betrifft. Obwohl das Gesetz darauf abzielt, die Bürokratiekosten um fast eine Milliarde Euro pro Jahr zu senken, rechnen nur zehn Prozent der befragten Unter­nehmen mit einer deutlichen Reduzierung ihres bürokratischen Aufwands. Besonders gering sind die Erwartungen im Verarbeitenden Gewerbe, im Gesundheits­wesen, im Baugewerbe und im Handel.

Pressemitteilung vom 22. Oktober 2024
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Am 26. September 2024 hat der Bundestag das Bürokratieentlastungs­gesetz (BEG IV) verabschiedet. Das Gesetz soll die wirtschaft­lichen Standortfaktoren in Deutschland verbessern und Investitionen fördern. Zu den zentralen Maßnahmen gehören die Verkürzung der Aufbewahrungs­fristen für Buchungs­belege von zehn auf acht Jahre, die Digitalisierung von Steuerbescheiden sowie der Abbau von Melde- und Informations­pflichten. Zusätzlich sollen Schriftformerfordernisse herabgestuft werden, um bei digitalisierten Prozessen auf die Unter­schrift auf Papier verzichten zu können. Aktuelle Daten des GBP zeigen jedoch, dass 69 Prozent der befragten Unter­nehmen davon ausgehen, dass das Gesetzesvorhaben nur geringe oder sehr geringe Aus­wirkungen auf ihre bürokratische Belastung haben wird. Nur zehn Prozent erwarten eine spürbare Entlastung.

Die Gründe hierfür werden in den Befragungs­ergebnissen deutlich: Ein Großteil der Unter­nehmen sieht die Hauptursache für ihre Bürokratiebelastung weniger in den Gesetzen selbst, als vielmehr in deren Umsetzung durch staatliche Behörden. Über 57 Prozent der Befragten sagen, dass Bürokratie gleich­ermaßen durch gesetzliche Vorgaben und durch die Interaktion mit Behörden entsteht. 21,1 Prozent der Befragten geben sogar an, dass die Bürokratie vorrangig durch die Interaktion mit Behörden entsteht und weniger durch die Regelungen selbst. Besonders beklagt werden mehrfache Dateneingaben, die mangelnde Vernetzung von Behörden, der Digitalisierungs­rückstand sowie lange Verwaltungs­verfahren.

„Ein deutlicher Abbau staatlicher Bürokratie hat das Potenzial, die deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln und Unter­nehmens­gewinne zu steigern,“ erklärt Prof. Dr. Philipp Dörrenberg, Inhaber des Lehr­stuhls für ABWL und Betriebs­wirtschaft­liche Steuerlehre an der Universität Mannheim und wissenschaft­licher Projektleiter des GBP. Laut den GBP-Ergebnissen schätzen Unter­nehmen, dass ihnen durch unnötige bürokratische Anforderungen im Durchschnitt rund 16,9 Prozent ihres potenziellen Gewinns entgehen. Bei Unter­nehmen, die den Umgang mit Behörden als Hauptursache für Bürokratie ansehen, liegt dieser Verlust sogar bei 19,6 Prozent.

Eine weitere wesentliche bürokratische Belastung sehen die Unter­nehmen im Bereich der Steuern und Sozialabgaben. 50,1 Prozent der Unter­nehmen nennen Steuern sogar als Hauptursache und 68,1 Prozent zählen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Sozial­versicherungen zu den drei wichtigsten Bereichen, die Bürokratie verursachen. Innerhalb der steuerlichen Verpflichtungen gehören die Gewerbesteuer (62,2 Prozent) und die Umsatzsteuer (60 Prozent) zu den Bürokratietreibern.

Auch die kürzliche Ausweitung von Berichtspflichten im Rahmen der Nachhaltigkeits­bericht­erstattung (CSRD) und des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hat den administrativen Aufwand für Unter­nehmen in Deutschland verstärkt. Trotz gewisser Größengrenzen treffen diese Dokumentations­pflichten häufig auch kleinere Betriebe, etwa wenn sie Daten in der Lieferkette weitergeben müssen. Die Daten des GBP bestätigen dies: 30 Prozent der Unter­nehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden, die direkt dem LkSG unter­liegen, sehen darin eine bürokratische Hürde. Für Unter­nehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden sind es sogar 35 Prozent.

Die Folgen der bürokratischen Belastungen zeigen sich in den Investitions­entscheidungen deutscher Unter­nehmen: 56,4 Prozent der Unter­nehmen gaben an, in den letzten zwei Jahren geplante Investitionen aus diesem Grund gestrichen zu haben. Bei Unter­nehmen, die Bürokratie durch Lieferketten­vorschriften beklagen, sind es sogar 65 Prozent. „Bürokratische Hürden durch Dokumentations­pflichten entlang der Lieferkette sind häufig ein Investitions­hemmnis für deutsche Unter­nehmen und können sogar zu volkswirtschaft­lich nachteiligen Effekten führen“, so Dörrenberg. 23,6 Prozent der betroffenen Unter­nehmen haben deshalb Projekte ins Ausland verlagert. Bei den Unter­nehmen, die in diesem Bereich keine Belastungen spüren, sind es nur 10,4 Prozent.

Bürokratische Hürden wirken sich letztlich nicht nur auf Investitionen, sondern auch auf Personalentscheidungen aus. Die GBP-Daten zeigen, dass im Bereich Compliance mehr Personal eingestellt wurde (61,5 Prozent), weniger jedoch im wachstumsfördernden Kerngeschäft. Dort haben rund 46 Prozent der Unter­nehmen aufgrund des bürokratischen Aufwands auf die Einstellung benötigter Fach­kräfte verzichtet. Dieser Effekt ist insbesondere bei größeren Unter­nehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden noch ausgeprägter.

„Trotz gesetzgeberischer Bemühungen stellt der bürokratische Aufwand für viele Unter­nehmen in Deutschland nach wie vor eine erhebliche Hürde dar. Vor allem der Umgang mit Behörden stellt die Unter­nehmen vor große Herausforderungen. Ohne eine umfassende Reform dieser Prozesse ist der Erfolg des Bürokratieabbaus aus Sicht vieler Unter­nehmen begrenzt“, resümiert Dörrenberg.

Den „GBP-Monitor: Unter­nehmens­trends im Oktober 2024“ finden Sie hier:  https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2024/10/gbp_monitor_okt_2024.pdf

Weitere Informationen zum GBP-Monitor
Das German Business Panel befragt monatlich mehr als 800 Unter­nehmen und seit März 2024 mehr als 250 Wissenschaft­ler*innen zur Unter­nehmens­lage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitions­änderungen, 2) unter­nehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Schließungs­rate in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik. Zudem wird alle drei Monate zu besonders aktuellen Fragen berichtet.

Hintergrund­informationen zum German Business Panel
Das German Business Panel ist ein langfristiges Befragungs­panel des DFG-geförderten überregionalen Projektes „Accounting for Trans­parency“ (www.accounting-for-trans­parency.de). Der Sonderforschungs­bereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Trans­parency“ startete im Juli 2019. Im Mai 2023 beschloss die Deutsche Forschungs­gemeinschaft (DFG), den SFB um zunächst weitere vier Jahre zu verlängern. Er ist der erste SFB mit betriebs­wirtschaft­lichem Schwerpunkt. Am SFB sind über 100 Wissenschaft­ler*innen von neun Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forschende von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Frankfurt School of Finance & Management, der Universität zu Köln und der Leibniz Universität Hannover. Die Forschenden unter­suchen, wie Rechnungs­wesen und Besteuerung die Trans­parenz von Unter­nehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unter­nehmens­trans­parenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 18 Millionen Euro.

Kontakt:
Prof. Dr. Philipp Dörrenberg
Lehr­stuhl für Allgemeine Betriebs­wirtschafts­lehre und Betriebs­wirtschaft­liche Steuerlehre
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1719
E-Mail: doerrenbergmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1266
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de