Das Mannheimer Barockschloss und der Ehrenhof unter blauem Himmel.

Wie Machtmissbrauch zur Norm wird

Eine neue Studie unter Beteiligung des Mannheimer Wirtschafts­wissenschaft­lers Junior­professor Dr. Wladislaw Mill zeigt: Opfer von Machtmissbrauch gewöhnen sich an unfaire Regeln.

Pressemitteilung vom 12. Juni 2025
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Macht verändert Menschen – nicht nur diejenigen, die sie ausüben, sondern auch jene, die ihr ausgeliefert sind. Verhaltensökonomen der Universität Mannheim, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Maastricht University belegen in einem Laborexperiment erstmals, dass selbst Opfer von Machtmissbrauch solche Verhaltensweisen im Laufe der Zeit zunehmend als gesellschaft­lich akzeptabel bewerten. Die Studie ist unter dem Titel „Normative Acceptance of Power Abuse“ (dt.: Normative Akzeptanz von Machtmissbrauch) in der aktuellen Ausgabe der Fach­zeitschrift Kyklos erschienen.

Zahlreiche Studien belegen, dass Menschen mit Macht zu egoistischem Verhalten und Regelverstößen neigen. Was bisher kaum erforscht war: Wie reagieren jene, die den Missbrauch erfahren? In einem kontrollierten Experiment schufen die Forscher künstliche Klein­gruppen mit klarer Machtverteilung. Eine Person in jeder Gruppe durfte die anderen Gruppen­mitglieder sanktionieren, musste sich selbst aber nicht an die Regeln halten.

Das Ergebnis ist deutlich: Teilnehmende, die einem „missbräuchlichen“ Gruppen­mitglied ausgesetzt waren, das selbst auf den eigenen Vorteil bedacht war, gleich­zeitig aber von anderen viel Einsatz für das Gemeinwohl forderte, bewerteten dessen Verhalten später als sozial weniger unangemessen als Personen, die keine solchen Erfahrungen gemacht hatten. „Machtmissbrauch verändert nicht nur das Verhalten der Mächtigen, sondern auch das moralische Urteil der Ohnmächtigen“, betont Mill.

Die Studien­ergebnisse geben Hinweise darauf, warum sich korrupte Institutionen oft lange halten: Wenn selbst Opfer Machtmissbrauch als „normal“ akzeptieren, sinkt der gesellschaft­liche Widerstand. „Gerade weil Betroffene den Machtmissbrauch selbst erleben, beginnen sie, ihn zu rechtfertigen – nicht aus Über­zeugung, sondern weil sie sich an die Umstände anpassen“, erklärt Mill.

Die Unter­suchung basiert auf einem experimentellen Design mit über 280 Teilnehmer*innen. Sie wurde im Bonn DecisionLab durchgeführt und durch die Deutsche Forschungs­gemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungs­bereichs TR 224 „Economic Perspectives on Societal Challenges“ sowie durch die Max-Planck-Gesellschaft gefördert.

Die Studie
Hoeft, L., Mill, W., Vostroknutov, A. Normative Acceptance of Power Abuse. Kyklos (2025)
https://doi.org/10.1111/kykl.12474 

Kontakt:
Prof. Dr. Wladislaw Mill
Junior­professur für VWL, Verhaltensökonomik
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1897
E-Mail: millmail-uni-mannheim.de 

Fabio Kratzmaier
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-3298
E-Mail: fabio.kratzmaiermail-uni-mannheim.de