Erklärung des Senats der Universität Mannheim zu den Kernpunkten des neuen Hochschulfinanzierungsvertrages II
Die Universität Mannheim ist eine national und international hoch renommierte Profiluniversität mit ihren Schwerpunkten in den Bereichen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Als Forschungsuniversität sichert sie die Innovationsfähigkeit, welche die Grundlage nachhaltigen Wachstums unseres Landes bildet. Entsprechend ihrem Leitbild werden an der Universität Führungskräfte ausgebildet, die in Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft Verantwortung übernehmen. Dadurch entsteht den Bürgerinnen und Bürgern ein ganz konkreter Mehrwert. Jedes Jahr nimmt die Universität rund 4.000 junge Menschen als neue Studierende auf. Die Vermittlung von wissenschaftlich erarbeitetem Spezialwissen bringt hoch qualifizierte Absolventinnen und Absolventen hervor, die zum Beispiel durch die Gründung zahlreicher Start-up-Unternehmen neue Arbeitsplätze schaffen und Beschäftigung und Wohlstand sichern – in der Region und darüber hinaus. Die Universität will den ihr vom Land Baden-Württemberg erteilten Auftrag zur Schaffung neuer Erkenntnisse durch Forschung und zur Vermittlung dieses Wissens an die junge Generation durch die bestmögliche Lehre jetzt und in Zukunft erfolgreich gestalten und umsetzen.
Dafür braucht die Universität Mannheim die entsprechenden Rahmenbedingungen, für die das Land Baden-Württemberg verantwortlich ist. Zwischen dem Land und den Universitäten wird zurzeit ein neuer Hochschulfinanzierungsvertrag (HoFV) ausgehandelt, der den Hochschulen für einen Zeitraum von fünf Jahren finanzielle Planungssicherheit verschaffen soll. Die Universität Mannheim begrüßt den beabsichtigten Abschluss eines solchen „Hochschulfinanzierungsvertrages II“. Er muss Forschung und Lehre sichern, strukturelle Fehlentwicklungen des ersten Hochschulfinanzierungsvertrages abstellen und die in den letzten Jahren entstandenen finanziellen Nachteile des Universitätshaushaltes durch fehlenden Inflationsausgleich, zusätzliche nicht abgegoltene Aufgaben (z. B. Datenschutz, Gleichstellung, Weiterbildung, Internationalisierung, Informationssicherheit und Digitalisierung) oder steigende Miet- und Gebäudebewirtschaftungskosten ausgleichen.
Die Universität Mannheim hat folgenden Anspruch an den Inhalt eines neuen Hochschulfinanzierungsvertrages:
- Übertragung aller Zweitmittel in den universitären Grundhaushalt zum Jahresende 2020
Um an einem realen Haushaltswachstum der universitären Grundfinanzierung im Umfang von jährlich 3% teilhaben zu können, muss vorab eine Verstetigung der noch nicht umgewandelten Programmmittel aus den Ausbauprogrammen Hochschule 2012 und Master 2016 erfolgen. Damit wird ein Fehler behoben, der im Zuge des Hochschulfinanzierungsvertrages I die Universität Mannheim unverhältnismäßig stark betroffen hat. Die Universität Mannheim hat ihre gesellschaftliche Verantwortung in besonderem Maße wahrgenommen und auf Wunsch des Landes Studienanfängerplätze in stark nachgefragten Fächern ausgebaut und besetzt. Der Anteil der entsprechen „Ausbaumittel“ an der Gesamtfinanzierung der Universität Mannheim ist deshalb weit höher als bei anderen Universitäten; und sie konnten aufgrund der Verrechnungsmechanismen des Hochschulfinanzierungsvertrages I noch nicht komplett in den Grundhaushalt überführt werden. Erst nach der vollständigen Überführung der Ausbaumittel wird die Universität Mannheim jedoch – wie andere Landesuniversitäten auch – an der vereinbarten jährlichen Steigerung der Haushalte teilnehmen können. Zum Auslaufen des Hochschulfinanzierungsvertrages I Ende 2020 schlagen für Mannheim noch immer 3,6 Mio. Euro zu Buche, die bislang nicht in den Grundhaushalt übertragen werden konnten. Auch die auf Empfehlung der Verfassten Studierendenschaft für Verbesserungen in der Lehre zu verwendenden „Qualitätssicherungsmittel“ sollen im Grundhaushalt verstetigt und dynamisiert werden.
- Fortführung des jährlichen 3%igen Zuwachses der universitären Grundfinanzierung
Nach der notwendigen Überführung der Ausbaubaumittel in den Grundhaushalt wird dieser zum Ausgleich regelmäßiger Kostensteigerungen nominell jedes Jahr um 3% verstärkt. Hierbei werden die Besoldungs- und Tarifsteigerungen der in der Grundfinanzierung ausgebrachten Stellen vollständig ausfinanziert. Diese in der Erhöhung der Grundfinanzierung (3% p.a.) enthaltenen pauschalen Personalkostensteigerungen werden zur Hälfte auf den 3%igen Zuwachs der Grundfinanzierung angerechnet. Darüberhinausgehende Gehalts- und Besoldungssteigerungen gehen nicht zu Lasten der Universitätshaushalte, sondern werden vom Landeshaushalt übernommen; Personalkostensteigerungen unterhalb dieses Anteils verbleiben dem Landeshaushaushalt. Diese Fortführung des jährlich 3%igen Aufwuchses entspricht der Regelung des Hochschulfinanzierungsvertrages I – allerdings darf die bloße Umwandlung und Verstetigung von Zweitmitteln nicht mehr auf den Aufwuchs angerechnet werden.
- Erhöhung der Grundausstattung der Universität um 1.000 Euro Student/
in
Die Grundhaushalte der Universitäten haben sich, gemessen am Landeszuschuss pro Student/in seit 1998, inflationsbereinigt um 33% verringert; das sind pro Kopf gut 3.500 Euro weniger – obwohl das Steueraufkommen Baden-Württembergs im gleichen Zeitraum (ebenfalls inflationsbereinigt) um 49% gewachsen ist. Die Universität kann die entstandene Finanzierungslücke nicht schließen. Die Studierenden und Fakultäten haben dies z. B. durch die Sparrunden der letzten Jahre oder die Einschränkungen der Öffnungszeiten der Bibliothek und den Wegfall von Tutorien bemerkt. Zwischenzeitlich ist der Universität zusätzlich eine Fülle neuer Aufgaben zugewachsen bzw. seitens des Landes zugewiesen worden, ohne dass dafür, wie oben bereits beschrieben, ein adäquater personeller oder sächlicher Ausgleich erfolgte. Wenn die Universität keinen zumindest teilweisen Ausgleich der Auszehrung der letzten Jahrzehnte erhält, werden auch 3%ige Zuwächse ihre Wirkung verfehlen.
- Zufluss der Mittel aus dem Zukunftsvertrag an die Universitäten entsprechend der vom Bund festgelegten Kriterien
Die Universität erwartet, dass das Land Baden-Württemberg die vom Bund im „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ zugesagten Mittel nach den in der Vereinbarung geregelten Kriterien (20% Studienanfängerinnen und -anfänger, 60% Gesamtzahl der Studierenden, 20% Absolventinnen und Absolventen) transparent und ungeschmälert an die Universitäten weitergibt und die im Zukunftsvertrag eingegangene Verpflichtung umsetzt, zusätzliche Mittel mindestens in Höhe der jeweils zugewiesenen Bundesmittel bereitzustellen. Andere Bundesländer haben die vollständige Weitergabe der Bundesmittel bereits für sich beschlossen. Eine abweichende Praxis würde den baden-württembergischen Universitäten einen gravierenden Wettbewerbsnachteil zufügen.
Im Übrigen ist die bereits im laufenden Hochschulfinanzierungsvertrag avisierte, bislang aber nicht in Angriff genommene Rückkehr zu den verbindlichen Betreuungsrelationen nach der Kapazitätsverordnung (KapVO) dringend notwendig, nachdem in den letzten Jahren Einmaleffekte durch doppelte Abiturjahrgänge oder die Aussetzung der Wehrpflicht mittels Überlasten der Universitäten abzufedern waren. Keinesfalls können die Überlasten, die von den Universitäten in den letzten Jahren in einer Ausnahmesituation temporär geschultert wurden, im neuen HoFV II ohne entsprechend erweiterte Personalressourcen dauerhaft festgeschrieben werden. Im Gegenteil: Das Kapazitätsrecht ist entsprechend den Forderungen des Wissenschaftsrates grundlegend reformbedürftig, muss verbesserte, am aktuellen Bedarf ausgerichtete Betreuungsrelationen festsetzen – und darf auch nicht mehr durch „vertragliche“ Sonderkonditionen unterlaufen werden. Nur so können international übliche Ausbildungsmuster wettbewerbsfähig umgesetzt, die individuelle Betreuung zunehmend heterogener Studierender intensiviert, die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden ausgebaut und Abbrecherquoten (ohne Absenkung der Qualitätsanforderungen) verringert werden.
Die Gremien der Universität Mannheim sind sich bewusst, dass gemessen an den dem Land zusätzlich zur Verfügung stehenden Mitteln die Universitäten ab 2021 einen besonderen Anteil fordern. Die Universitäten wollen das Land nicht überfordern, das Land darf aber auch die Universitäten nicht überfordern. Es ist an der Zeit, der Tatsache der jahrzehntelangen Unterfinanzierung und der Zuweisung vielfältiger neuer Aufgaben ohne Ausgleich durch entsprechende neue Ressourcen ins Auge zu sehen. Die Universitäten müssen wieder in die Lage versetzt werden, ihrem Auftrag gemäß die jetzige und die kommenden Generationen von Studierenden so zu qualifizieren, dass sie den immer rascher wechselnden Anforderungen unserer modernen Gesellschaft, gerade auch im Bereich der Digitalisierung, gewachsen sind. Die Universität Mannheim will auch künftig Absolventinnen und Absolventen hervorbringen, die als Führungskräfte die weitere wirtschaftliche, gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung des Landes maßgeblich mitgestalten und voranbringen.
Der Senat der Universität Mannheim bittet den Rektor, keinen Hochschulfinanzierungsvertrag II zu unterzeichnen, der nicht im Kern dem Großteil der dargelegten Erwartungen Rechnung trägt.
Einstimmig verabschiedet im Senat der Universität Mannheim am 25. September 2019